Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Korrektur an den Börsen ist da. Nach dem monatelangen Höhenflug stehen die Zeichen nun auf fallende Kurse. Ein Grund zur Sorge ist das nicht - im Gegenteil. Eine Korrektur war unvermeidlich, früher oder später. Nach deren Abschluss wird der DAX wieder auf solideren Füßen stehen. Hinzu kommt, dass der Kursrückgang vermutlich überschaubar ausfallen wird. Die EZB wird vermutlich auf der Sitzung in der kommenden Woche eine Zinssenkung für Juni avisieren. Daneben ist der DAX - anders als die US-Börsen - nicht hoch bewertet, sein Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt unter dem historischen Schnitt.

"Nicht die Nachrichten machen die Kurse, sondern die Kurse machen die Nachrichten", mit diesen Worten zitiert Robomarkets Börsenaltmeister Andre Kostolany. Falkenhafte Töne aus den Reihen der US-Notenbank belasten. Während an den Märkten drei Zinssenkungen in den USA im laufenden Jahr eingepreist sind, überraschte Neel Kashkari, Präsident der Federal Reserve Bank von Minneapolis, mit der Aussage, dass er Zinssenkungen in diesem Jahr überhaupt in Frage stelle, sollte sich die Inflation weiterhin seitwärts bewegen. Im März sah Kashkari immerhin noch zwei Zinssenkungen. Begründet wird die Marktschwäche auch mit den steigenden Ölpreisen angesichts der sich verschärfenden Lage im Nahen Osten, wo eine direkte Konfrontation zwischen dem Iran und Israel droht.


   Zeit für Gewinnmitnahmen ist gekommen 

All dies sind reale Probleme, wirklich neu sind sie aber nicht. Vielmehr scheint eine zunehmende Zahl von Börsenanlegern der Meinung zu sein, dass die Zeit für Gewinnmitnahmen gekommen ist. Das Timing passt nach Ablauf des ersten Quartals und dem nahenden "Sell in May and go away". Neue Verkaufsgründe könnte die Bekanntgabe der US-Verbraucherpreise am Mittwoch liefern. Nach den überraschend hohen Lesungen für Januar und Februar ist die Spannung hoch. Die Commerzbank glaubt, dass auch die Preisdaten für März recht hoch ausfallen werden, wenn auch nicht ganz so stark wie in den beiden Vormonaten. Es werde immer deutlicher, wie schwierig es sei, die US-Inflation auf 2 Prozent zu drücken, wenn gleichzeitig die Wirtschaft gut laufe, heißt es.

"Bestätigen die in der kommenden Woche anstehenden Preisdaten unsere Erwartungen, wäre dies wohl noch kompatibel mit unserer Fed-Prognose für 2024 von drei Zinssenkungen beginnend im Juni, was ungefähr auch den Markterwartungen entspricht", so die Commerzbank weiter. Allerdings müsste hierfür der Inflationsdruck im April und Mai abnehmen. Das Risiko für ihre Prognose und entsprechend auch für die Markterwartungen liege eindeutig in späteren bzw geringeren Zinssenkungen.


    Offenes Gap im DAX bei 17.200 

Da hat es die EZB deutlich einfacher. Die Wirtschaft im Euroraum läuft deutlich schwächer als die US-amerikanische. Auf der Sitzung in der kommenden Woche dürfte die EZB die Zinsen dennoch noch einmal unverändert lassen. Für diesen Schritt werden die Notenbanker nach Einschätzung der Commerzbank wohl weitere Daten zur Lohnentwicklung und die neuen Projektionen abwarten, die bei der Juni-Sitzung vorliegen werden. Allerdings dürfte es weitere verbale Hinweise auf die bald anstehende Zinswende geben. Wie auch - zumindest bislang noch - für den Dollarraum werden für die Eurozone derzeit drei Zinssenkungen eingepreist.

Wie weit wird die Börsenkorrektur reichen? Robomarkets macht für den DAX bei 18.039 Punkten eine kurzfristige Unterstützung aus, dem lange Bestand habenden Allzeithoch, bevor die Aufwärtsbewegung noch einmal an Dynamik gewann und ihn über 18.500 Zähler führte. Etwas weiter unten, bei rund 17.200 Punkten, sei dann eine sogenannte Kurslücke offen im DAX, die in der Regel immer geschlossen werde. "Aber auch in diesem Fall wäre der Bullenmarkt noch nicht zu Ende, sondern er hätte nur mal eine gesunde Pause erlebt", heißt es.


   DAX wesentlich günstiger bewertet als S&P-500 

Am Freitagvormittag liegt der deutsche Auswahlindex bei knapp 18.100 Punkten. Damit notiert er unterhalb der Aufwärtstrendlinie im Stundenchart sowie des Tiefs vom Dienstag bei 18.276 Punkten. "Um eine anschließende Ausweitung der Korrektur zu verhindern, sollte genau diese Marke danach schnellstmöglich zurückerobert werden" so HSBC. Die Analysten machen in der Folge eine erste Unterstützungszone zwischen 17.900 und 18.039 Punkten aus. Sollte es dem DAX hingegen gelingen, über der Marke von 18.276 zu schließen, kann es laut Charttechniker Marcel Mußler sogar "schnell bullisch" werden.

Für eine nur mäßige Korrektur spricht jedenfalls die nur moderate Bewertung im DAX. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im DAX liegt trotz der jüngsten Rally gerade einmal bei etwa 12,5 und damit klar unter dem langfristigen Durchschnitt. Steigende Unternehmensgewinne machen es möglich. Auch die Dividendenrendite ist mit rund 3,5 Prozent attraktiv. Anders sieht die Bewertung im S&P-500 aus. Mit einem KGV von etwa 25 liegen US-Aktien etwa 20 Prozent höher als der historische Schnitt. Der DAX wird sich einer schärferen Korrektur an den US-Leitbörsen dennoch nicht entziehen können. Das wäre kein Grund zur Panik, sondern vielmehr Gelegenheit verbilligt nachzukaufen.

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April 05, 2024 06:32 ET (10:32 GMT)