Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX kratzt wieder an der 16.000er-Marke. Ein nachhaltiger Anstieg, welcher den Blick auf das Allzeithoch bei 16.529 eröffnen würde, erscheint derzeit aber wenig wahrscheinlich. Positiv aus Marktsicht sind die sich verdichtenden Hinweise auf einen Zinsgipfel in den USA und der Eurozone. Negativ dagegen die vor allem in Europa sich weiter eintrübenden Wachstumsaussichten. Eine mögliche Rezession würde an den Unternehmen nicht spurlos vorbeiziehen.

Der Zinsgipfel in der Eurozone rückt näher oder wurde möglicherweise bereits erreicht. Nach den jüngsten Verbraucherpreisdaten aus der Eurozone ist die an den Märkten eingepreiste Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung im September auf knapp 25 Prozent gefallen. Hierzu haben auch taubenhaft aufgenommene Kommentare von EZB-Direktorin Isabel Schnabel beigetragen. In ihrer jüngsten Rede hat sie weniger die Inflationsrisiken als vielmehr die Wachstumsrisiken betont.


   Wirtschaftsdaten dürften sich weiter eintrüben 

Die in der kommenden Woche anstehenden Juli-Daten zu Auftragseingängen und Produktion werden nach Einschätzung der Commerzbank zeigen, dass die deutsche Industrie zunehmend unter der weltweiten massiven geldpolitischen Wende leidet. So seien die Auftragseingänge nach den deutlichen Zuwächsen in den beiden vorhergehenden Monaten wohl wieder kräftig gefallen, und die schwache Nachfrage dürfte mehr und mehr auf die Produktion durchschlagen. Dies spräche dafür, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wieder schrumpft.

Eines der Probleme der deutschen Wirtschaft ist die Schwäche in China. Angesichts der hohen Verschuldung sind weitere umfangreiche staatliche Fiskalprogramme zur Stützung der Binnenkonjunktur laut Warburg kaum noch finanzierbar. "Man fühlt sich an die Situation Japans in den 90er-Jahren erinnert, als das Platzen der Immobilienblase zu jahrelanger Deflation und wirtschaftlicher Stagnation führte." Daneben leide China unter einer schrumpfenden Bevölkerung, was für niedrigere Wachstumsraten in den kommenden Jahren spreche.

Ein wichtiger Grund für die Widerstandsfähigkeit des DAX dürften die weiter stabilen Gewinnerwartungen der DAX-Unternehmensanalysten sein. Diese gehen nach der Gewinnsaison für das zweite Quartal unverändert davon aus, dass die DAX-Unternehmen ihre Gewinne im Geschäftsjahr 2023 um 2 Prozent steigern werden, so die Commerzbank. In den vergangenen drei Monaten haben die Analysten für 26 DAX-Unternehmen ihre Gewinnprognosen für das Geschäftsjahr 2023 sogar nach oben angepasst, während sie nur für 14 DAX-Unternehmen ihre Gewinnschätzungen reduziert haben.


   Auch Charttechnik spricht für andauernde Seitwärtsbewegung 

"Dem DAX droht wahrscheinlich erst dann eine länger anhaltende, stärkere Korrektur, wenn die Unternehmensanalysten durch ein immer schwächeres Konjunkturumfeld gezwungen werden, ihre Gewinnprognosen deutlich zu senken. Dazu ist es aber bislang nicht gekommen", sagt die Commerzbank. Die Analysten bleiben dennoch bei ihrer Meinung, dass die DAX-Unternehmensgewinne im Geschäftsjahr 2023 schließlich um 5 Prozent fallen dürften. Sie verweisen auf das wirtschaftliche Umfeld sowie das schrumpfende Geldmengenwachstum.

Auch charttechnisch spricht einiges für eine Fortsetzung Seitwärtshandels im DAX. Nach Einschätzung von Marcel Mußler läuft es darauf hinaus, dass "wir es in der nächsten Woche mit einer andauernden Trading-Range von 15.706 zu 16.060 Punkten und mit einem Konsolidierungsmarkt zu tun bekommen werden". Das sei die Botschaft, die aus der gestrigen Reversalkerze abzuleiten sei. Das bedeute aber auch, dass der Erholungsrallye jetzt die Luft ausgehe. "Und übergeordnet bleibt es weiterhin beim Seitwärtsmarkt."

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September 01, 2023 07:18 ET (11:18 GMT)