Von Michael Denzin

FRANKFURT (Dow Jones)--Auf einen relativ ruhigen Übergang vom Feiertagshandel in den Jahresstart stellen sich Marktteilnehmer in den kommenden zwei Wochen ein. Die arbeitnehmerfreundlich positionierten Feiertage schränken den liquiden Handel derart ein, dass gerade einmal sechseinhalb Handelstage bis zur zweiten Januar-Woche zusammenkommen.

Profi-Anleger könnten damit gut leben, denn vor dem 8. Januar sind die wenigsten zurück aus dem Weihnachtsurlaub. Echte Trendbewegungen in den Kursen sollten sich daher erst danach wieder herausbilden. Kursausschläge durch Trader sind je nach Nachrichtenlage natürlich jederzeit möglich, dürften allerdings nur selten nachhaltig sein. Die klassische Herausforderung für anwesende Marktteilnehmer in der umsatzarmen Zeit zwischen den Jahren ist also wie üblich, den "Noise" der Trader vom Beginn systematischer Kursbewegungen zu unterscheiden.


   Niedriger DAX-Start ins Jahr wäre willkommen 

Echte Eile besteht hierbei aber nicht. Denn Portofolio-Manager sind zufrieden mit dem Jahr 2023 und den erreichten Kursniveaus: Im DAX ein Ausbruch nach oben auf neue Allzeithochs - aber eben auch nicht so hoch, dass es eine schlechte Ausgangsbasis für 2024 ist. Als der DAX kurz die 17.000er-Marke touchierte, wurde einigen doch ein bisschen mulmig. Schließlich machen es höhere Startkurse immer schwerer, auch im nächsten Jahr noch gut zu performen.

Marken um rund 16.200 Punkte waren daher von Investoren häufig als ideale Basis für den Jahresstart 2024 zu hören. Denn ausgehend von diesem Bereich erscheine ein Anstieg von um die 10 Prozent im Jahresverlauf auf über 17.500 Zähler realistisch. Diese Zielmarke würde sich gut mit den fundamentalen Einschätzungen ihrer hauseigenen Analysten und Volkswirte decken.

Die frohe Botschaft für Anleger dahinter ist, dass ein Rückgang des DAX zwischen den Jahren in Richtung 16.200 kein Beinbruch wäre. Schon mit einem sanften Abgleiten von 0,4 Prozent Minus pro Tag über sechs Handelstage wäre man dort. Und das Ziel wäre attraktiv, da sich dort eine große Kaufbereitschaft aufzustauen scheint. Fest rechnen mit dieser Einstiegsgelegenheit sollten Anleger aber nicht - schon bei 16.600 im DAX gab es gute Nachfrage und einen kleinen charttechnischen Doppel-Boden. Dies spricht für Kauflaune schon auf höherem Niveau.


   Suche nach "dem" Thema - Zinsen als Kurstreiber sind durch 

Problematischer wird der Fahrplan für die Zukunft, wenn es um die Auswahl der Themen geht, die als Kurtreiber fungieren. Denn das Mega-Thema "Zinswende" hat seinen Überraschungswert verloren. In Zukunft geht es nur noch um den Abgleich, ob die Notenbanken auch das tun, was der Markt ihnen vorgibt. Und da der Markt extrem vorgelaufen ist in seinen Zinserwartungen, dürfte hier eher das Enttäuschungsspotenzial vorherrschen.

Entsprechend ist auch von den zinsabhängigen Aktien weniger zu erwarten. Besonders die großen US-Technologiewerte könnten ihre beste Zeit hinter sich haben, zumindest was die Ausweitung ihrer Aktienbewertungen angeht.

Stratege Albert Edwards von der Societe Generale weist darauf hin, dass die US-Technologietitel noch immer mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 bewertet sind, während sich der breite Markt bei unter 20 bewegt. Ihre Marktkapitalisierung habe sogar das Niveau aus Neue-Markt-Zeiten und der Nasdaq-Blase von 2000 erreicht. Ein Kursrückgang im Technologiesektor würde damit auch die großen US-Indizes nach unten ziehen, warnt Edwards.

Im Handel heißt es dazu, falls die Firmen aber tatsächlich liefern können, was harte Fakten wie Umsatz und Gewinn angeht, wäre das ein davon unabhängiger, konjunkturzyklischer Kurstreiber. So hatten z. B. Nvidia und Micron bewiesen, dass es hier läuft. Ob die Ausgabenfreude im Sektor aber weiter auf das Überraschungsthema 2023 zurückgeht - die "Künstliche Intelligenz" - ist fraglich. Hier ist schon in den letzten Wochen mehr Realismus eingekehrt.


   "Konjunktur" wird Kurstreiber 

Wahrscheinlicher dürften Schlagworte rund um das Thema "Konjunktur" zum Kurstreiber werden. Denn erst seit wenigen Wochen sind hier kräftige Umschichtungen in globalen Aktien-Portfolios zu beobachten: Heraus aus den Zinssensitiven und großen Technologiewerten, hinein in die ganze Breite der Nebenwerte.

Mit Schocks bei Einzelwerten wie bei Merck, Morphosys, Nike und Fedex muss zwar in jeder Branche gerechnet werden, in der Breite macht sich das aber nicht bemerkbar. Indizes wie MDAX und SDAX könnten dann den DAX deutlich outperformen, in den USA wären dann z. B. die Russell-Indizes noch vor der Nasdaq.

Überraschend gute Konjunkturdaten aus China und andere globale Einkaufsmanager-Indizes hatten hier für den ersten Kursimpuls gesorgt. Durch Sektor-Rotation könnte dies das ganze nächste Jahr die Kurse nach oben treiben. Entsprechend werden die Konjunkturdaten genau darauf abgeklopft werden, wie die globale Wirtschaftserholung läuft:


   Neue Einkaufsmanager gleich zum Jahresstart 

Vor allem nach China wird geblickt, wo die neuen offiziellen Einkaufsmanager-Indizes (PMI) zum Service- und Industrie-Bereich um den Jahreswechsel und die Industriegewinne gleich nach Weihnachten vorgelegt werden. Aus den USA steht nach Weihnachten nur der Chicago-Fed-Index an. Das Neue Jahr startet dann gleich mit den neuen PMIs von S&P Global rund um den Erdball.

Aus Europa stehen daneben keine wichtigen Daten an, Deutschland zementierte mit dem schwachen Ifo-Index erneut seine Stellung als Schlusslicht der G-20-Staaten. Vielleicht, so ist von Optimisten zu hören, ist damit auch das Überraschungspotenzial nach oben am höchsten.

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December 22, 2023 06:34 ET (11:34 GMT)