Ankara (Reuters) - Die türkische Zentralbank vollzieht unter ihren neuen Führung wegen der hartnäckig hohen Inflation einen geldpolitischen Kurswechsel.

In der ersten Entscheidung nach der Wiederwahl von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Mai beschlossen die Währungshüter um ihre neue Chefin Hafize Gaye Erkan am Donnerstaag eine Zinsanhebung von 8,5 auf 15,0 Prozent. Das ist die erste Straffung seit Anfang 2021. Die Währungshüter mit ihrer erst seit wenigen Wochen amtierenden Gouverneurin Erkan deuteten zugleich an, bei Bedarf nachzulegen. "Die geldpolitische Straffung wird so weit wie nötig rechtzeitig und schrittweise verstärkt, bis eine deutliche Verbesserung der Inflationsaussichten erreicht ist", betonten sie.

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten sogar mit einem noch größeren Schritt nach oben auf 21,0 Prozent gerechnet. Die Landeswährung Lira verlor deshalb trotz der Zinswende an Wert und fiel auf ein Rekordtief. Der Kurs gab zum Dollar auf 24,41 Lira nach, nachdem er vor der Zinsentscheid bei 23,54 gelegen hatte. Die schwächer als erwartet ausgefallene Anhebung deute darauf hin, dass Erkan "nur begrenzten Handlungsspielraum bei der Wiederherstellung einer orthodoxen Geldpolitik hat", begründete Analyst Piotr Matys von InTouch Capital Markets den Abwertungsdruck. Der türkische Aktienmarkt verzeichnete dagegen Kursgewinne: Der Leitindex notierte 2,5 Prozent fester.

Die Notenbank hatte ihren Leitzins von 19 Prozent im Jahr 2021 auf zuletzt 8,5 Prozent gesenkt - und das, obwohl die Inflationsrate im vergangenen Oktober mit 85,5 Prozent ein 24-Jahres-Hoch erreicht hatte. Aktuell liegt sie bei rund 40 Prozent. Die Notenbank strebt eine Teuerungsrate von fünf Prozent an. Westliche Zentralbanken wie die Fed in den USA und die EZB bekämpfen die Inflation dagegen seit Monaten mit immer höheren Zinsen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich in der Vergangenheit stets für Zinssenkungen stark machte, hatte nach seiner Wiederwahl vor wenigen Wochen eine Wende seiner umstrittenen Geld- und Finanzpolitik signalisiert. Sein neu ernannter Finanzminister Mehmet Simsek werde mit der Zentralbank zügig Schritte unternehmen, sagte Erdogan kürzlich: "Nach den Überlegungen unseres Finanzministers haben wir akzeptiert, dass er in Absprache mit der Zentralbank schnell Maßnahmen ergreifen wird."

Erdogan hat sich selbst als "Zinsfeind" bezeichnet. Nach seiner Wiederwahl hat er aber mit Simsek und der neuen, in den USA ausgebildeten Zentralbankchefin Erkan den Übergang zu einer strengeren Zinspolitik eingeläutet. Erdogan sagte, er sei entschlossen, die Inflationsrate in den einstelligen Bereich zu drücken. Er werde aber an seiner Politik der "niedrigen Inflation und niedrigen Zinsen" festhalten.

Die bisherige Zinspolitik hat eine Währungskrise ausgelöst. Die Landeswährung Lira verlor 2021 um 44 Prozent an Wert, 2022 nochmals 30 Prozent. Das verschärft das Inflationsproblem, weil das rohstoffarme Land viele Waren aus dem Ausland bezieht und diese in Devisen bezahlen muss. Die Behörden haben daher die Reserven der Zentralbank angezapft, um die Währung zu stabilisieren. Dennoch ist die Lira in diesem Jahr bereits um etwa 20 Prozent gefallen.

(Bericht von Ezgi Erkoyun, Ali Kucukgocmen, Can Sezer, Jonathan Spicer und Orhan Coskun, Rene Wagner, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)