Frankfurt (Reuters) - EZB-Präsidentin Christine Lagarde macht sich für eine Vollendung der lange angedachten Kapitalmarktunion in Europa stark.

Diese sei ein unverzichtbares Projekt, sagte Lagarde am Freitag auf dem European Banking Congress (EBC) in Frankfurt. Trotz zwei Aktionsplänen der EU-Kommission sei der Kapitalmarkt in der Europäischen Union aber immer noch zersplittert. "Die finanzielle Integration ist geringer als vor der Finanzkrise." Die US-Anleihenmärkte seien drei mal größer als die europäischen. Auch beim Volumen an Risikokapital hinke die EU den USA erheblich hinterher.

Im September hatten Bundesfinanzminister Christian Lindner und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire einen gemeinsamen Fahrplan mit Eckpunkten vorgelegt, um das zuletzt stockende Projekt der Kapitalmarktunion wieder in die Spur zu bringen. Dazu sollen unter anderem eine stärkere Beteiligung von Kleinanlegern, eine Wiederbelebung des trägen Verbriefungsmarkts, die Verbesserung des Marktzugangs für kleinere und mittlere Unternehmen, die Förderung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft sowie eine verbesserte Finanzierung von Start-ups gehören.

Auf der Konferenz machte sich Commerzbank-Chef Manfred Knof für den Verbriefungsmarkt stark. "Die Stigmatisierung von Verbriefungen muss enden." Die Dokumentations- und Meldepflichten sollten gelockert und Investitionen in diese Anlageklasse erleichtert werden.

Aus Sicht von Lagarde ist eine Kapitalmarktunion in Europa unter anderem auch zur Finanzierung der grünen Transformation der Wirtschaft notwendig. Dabei verwies sie auf Schätzungen der EU-Kommission. Demnach sind dafür zusätzliche Investitionen von durchschnittlich 620 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030 erforderlich. Für die digitale Transformation würden zusätzlich 125 Milliarden Euro pro Jahr benötigt, sagte die EZB-Chefin. "Es ist klar, dass wir uns nicht auf unser bestehendes Regelwerk verlassen können, um diese Investitionen zu finanzieren." Wenn die Kapitalmarktunion nicht wieder in die Spur gebracht werde, dann würden diese Transformationen nicht gelingen.

EINHEITLICHE BÖRSENAUFSICHT IN DER EU

Einige würden behaupten, dass dieses Projekt ohne die Ausgabe von Eurobonds, die letztendlich wie etwa US-Staatsanleihen als eine sichere Anlageklasse gelten würden, nicht erfolgreich sein werde, fügte die EZB-Chefin hinzu. "Aber selbst wenn diese Annahme zutrifft, sollte uns das nicht davon abhalten, an den vielen anderen Bereichen zu arbeiten, die für die Verwirklichung der Kapitalmarktunion notwendig sind."

Um das Projekt voranzubringen, sollte Lagarde zufolge auch eine gemeinsame einheitliche Börsenaufsicht in der EU geschaffen werden. Die EU-Finanzmarktaufsicht ESMA habe nur begrenzte Kompetenzen. "Die Aufsicht bleibt größtenteils auf nationaler Ebene, was die Anwendung der EU-Regeln fragmentiert." Oft seien die Befugnisse auf mehrere nationale Behörden verteilt. Die Schaffung einer einheitlichen Börsenaufsicht könnte Lagarde zufolge beispielsweise durch die Erweiterung der ESMA-Kompetenzen erreicht werden.

(Bericht von Frank Siebelt, Hakan Ersen; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)