Frankfurt (Reuters) - Die Inflation in der Euro-Zone ist wieder auf dem Rückzug. Für die Europäische Zentralbank (EZB), die vor wenigen Wochen erstmals seit fast fünf Jahren wieder die Zinsen gesenkt hat, sind das gute Nachrichten.

Die Verbraucherpreise nahmen im Juni in der 20-Länder-Gemeinschaft binnen Jahresfrist nur noch um 2,5 Prozent zu, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Dienstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten dies erwartet. Noch im Mai hatte sich die Inflation auf 2,6 Prozent erhöht nach 2,4 Prozent im April. Mit den neuen Daten kommt die EZB ihrem Ziel einer Inflation von 2,0 Prozent wieder ein Stück näher. Nicht gefallen dürfte der Notenbank allerdings, dass sich im Dienstleistungssektor der Preisschub nicht abschwächt.

Aus Sicht von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, zeigen die Juni-Zahlen, dass sich der Inflationsrückgang nur langsam fortsetzt. "Die letzten Meter bis zum EZB-Inflationsziel von zwei Prozent sind eine äußerst zähe Angelegenheit", merkte er an. Dies wisse auch die Notenbank, die ihre Zinspolitik entsprechend ausrichte. Gitzel erwartet deshalb die nächste Zinssenkung erst im September und nicht bereits auf der nächsten Zinssitzung im Juli. Bastian Hepperle, Volkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, geht jetzt davon aus, dass die Inflationsrate im August das Zwei-Prozent-Ziel klar unterschreiten wird, wenn auch nur vorübergehend. "Das wird die EZB in der Zinssenkungsspur halten", ist er sich sicher. "Der nächste Zinsschritt wird im September folgen."

Die EZB hatte Anfang Juni den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, auf 3,75 Prozent von zuvor 4,00 Prozent nach unten gesetzt. Zum weiteren Zinspfad hielt sich die EZB-Führung aber bislang bedeckt. Es werde dauern, bis die EZB genug Daten gesammelt habe, um sicher zu sein, dass das Risiko einer über dem Notenbank-Zielwert liegenden Inflation passé sei, hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Montagabend in ihrer Eröffnungsrede zum EZB-Forum in Sintra gesagt. Die Arbeit sei noch nicht getan, die Notenbank müsse wachsam bleiben.

HARTNÄCKIGE INFLATION BEI DIENSTLEISTUNGEN

Die von der EZB viel beachtete Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet werden, verharrte im Juni auf dem Vormonatsniveau von 2,9 Prozent. Die EZB achtet genau auf dieses Inflationsmaß, da es zugrundeliegende Preistrends gut abbildet. Dabei dürfte der Dienstleistungssektor eine wichtige Rolle gespielt haben. Hier stiegen die Preise um 4,1 Prozent, im Mai hatte das Plus ebenfalls bei 4,1 Prozent gelegen. Bei den arbeitsintensiven Dienstleistungen macht sich das kräftige Lohnwachstum in der Euro-Zone besonders deutlich bemerkbar. Dieses gilt momentan als einer der Treiber der Inflation.

Die Energiepreise zogen im Juni im Währungsraum binnen Jahresfrist um 0,2 Prozent an. Noch im Mai waren sie um 0,3 Prozent gestiegen. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak nahmen in Juni um 2,5 (Vormonat: 2,6) Prozent zu. Industriegüter außerhalb des Energiesektors verteuerten sich im Juni wie schon im Mai um 0,7 Prozent.

Die Unterschiede in den Inflationsraten der Euro-Länder sind nach wie vor groß. In Belgien nahm die Teuerungsrate im Juni kräftig auf 5,5 (4,9) Prozent zu. In Finnland lag sie dagegen lediglich bei 0,6 (0,4) Prozent. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euroraum, schwächte sich die Inflation trotz der Fußball-EM im eigenen Land auf 2,5 Prozent nach 2,8 Prozent im Vormonat ab. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts ging sie im Juni sogar auf 2,2 Prozent zurück.

(Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).; ---; Link: https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-euro-indicators/w/2-02072024-ap)

- von Frank Siebelt und Reinhard Becker