München (Reuters) - Fünf Jahre nach einem verheerenden Dammbruch in Brasilien nehmen die Klagen der Opfer gegen den deutschen Prüfkonzern TÜV Süd immer größere Dimensionen an.

In dem Verfahren vor dem Landgericht München forderten mittlerweile über 1400 Kläger mehr als 582 Millionen Euro Schadenersatz, teilten deren Rechtsanwälte am Donnerstag mit. Darunter seien Hinterbliebene von 272 Toten, weitere Geschädigte sowie zwei örtliche Gemeinden.

Am 25. Januar 2019 war nahe der Kleinstadt Brumadinho der Damm des Rückhaltebeckens eines Erzbergwerks gebrochen. Eine giftige Schlammlawine tötete und verletzte zahlreiche Menschen und verursachte in der Region eine Umweltkatastrophe. Monate vorher hatte der brasilianische Ableger des in München ansässigen TÜV Süd den Damm des Bergbaukonzerns Vale als sicher eingestuft.

Vale zahlt nach Gerichtsurteilen in Brasilien bereits milliardenschwere Entschädigungen. Bei den Opfern kämen jedoch oft nur niedrige Beträge an, sagte Anwalt Jan Erik Spangenberg, der den Prozess in Deutschland führt. "Wir wollen Gerechtigkeit", sagte der 36-jährige Saulo Junior Rodrigues e Silva, der bei dem Dammbruch seine Frau verloren hat.

Der TÜV Süd sieht sich allerdings als falschen Adressaten der Klage. "Wir sind unverändert davon überzeugt, dass TÜV Süd keine rechtliche Verantwortung für den Dammbruch trägt", erklärte das Unternehmen am Donnerstag. Es verwies auf den Bergbaukonzern Vale, der nach Gerichtsprozessen in Brasilien bereits milliardenschwere Entschädigungen zahlt.

Strittig ist in dem Münchner Verfahren auch, ob das deutsche Gericht brasilianisches Recht anwenden darf. Davon versprechen sich die Kläger, den TÜV Süd eher zur Verantwortung ziehen zu können. Als Erfolg wertete es Spangenberg deshalb, dass das Gericht einen deutschen Sachverständigen mit einem Gutachten zur brasilianischen Rechtslage beauftragt hat. Eine Gerichtssprecherin erklärte, dass "wahrscheinlich zumindest in Teilbereichen brasilianisches Recht zur Anwendung kommt".

"Das brasilianische Umweltrecht ist eines der besten in der Welt - sehr streng, durchdacht und umfassend", sagte Rechtsanwalt Guy Robson von der britischen Kanzlei Pogust Goodhead zu Reuters. Die Kanzlei tritt mit Finanzinvestoren im Rücken in dem Münchner Fall als Prozesskostenfinanzierer auf und erhält je nach Ausgang eine Erfolgsbeteiligung. Pogust Goodhead ist auf Schadenersatzklagen im Zusammenhang mit Umweltschäden spezialisiert. Die Kanzlei hat unter anderem Rohstoffkonzerne wie BHP, Repsol oder Norsk Hydro verklagt.

(Bericht von Jörn Poltz.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)