BONN (dpa-AFX) - Die UN-Klimachefin Patricia Espinosa ist Diplomatin genug, um sich nicht zu unbedachten Äußerungen über Donald Trump hinreißen zu lassen. Doch die Mexikanerin hat durchaus eine Botschaft für den US-Präsidenten: Sollte er aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen, würde das wichtige Zukunftsindustrien seines Landes treffen und China weiter stärken. Das sagt Espinosa in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Im November ist Bonn Schauplatz der nächsten UN-Klimakonferenz. Was wird da los sein?

Antwort: Da wird sehr viel los sein! Es könnte sein, dass 20 000 Menschen nach Bonn kommen. Das wird also riesig. Aber es geht ja auch um sehr viel, nämlich um die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.

Frage: Das öffentliche Interesse am Klimaschutz ist seit dem Pariser Abkommen zurückgegangen.

Antwort: Sie haben recht, in der Öffentlichkeit gibt es weniger Aufmerksamkeit. Aber sonst nicht. Ich war zum Beispiel gerade beim Weltwirtschaftsforum in Davos, und da war der Klimaschutz ganz oben auf der Tagesordnung. Es hat mich wirklich beeindruckt, wie viele Wirtschaftsbosse da gesagt haben: Wir müssen den Umstieg auf alternative Energien jetzt schaffen. Aber Sie haben recht: Wir müssen aufpassen, dass das Thema in der Politik ganz oben auf der Agenda bleibt.

Frage: Zum Beispiel beim G20-Treffen im Juli in Hamburg? Aber befürchten Sie nicht, dass das bei der derzeitigen Weltlage von anderen Themen überlagert wird?

Antwort: Nein, das glaube ich nicht. Ich weiß, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bei dem Thema sehr engagiert ist. Die G20 sind auch deshalb besonders wichtig für den Klimaschutz, weil da auch wichtige Schwellenländer wie Brasilien und Indien vertreten sind.

Frage: Die große Frage ist ja: Kündigt Trump das Pariser Abkommen auf?

Antwort: Wir wissen noch nicht, was er tun wird. Wir wissen bisher nur, dass er eine andere Einstellung hat als die Regierung Obama. Was wir aber auch wissen, ist: In den USA gibt es viele Akteure, die sich mit großem Engagement für den Klimaschutz einsetzen. Man denke nur an Kalifornien oder an Städte wie New York, Chicago und Seattle. Die sind führend. Die Solarindustrie in den USA ist auch sehr stark gewachsen.

Frage: Trump spricht aber vorzugsweise über alte Industrien wie den Autobau.

Antwort: Ich glaube, wir stehen vor einer neuen industriellen Revolution, und danach werden solche Branchen nicht mehr die größten Gewinne einfahren und die meisten Jobs liefern. Bei dieser gewaltigen Umstellung hat Amerika hervorragende Chancen, weil die erneuerbaren Energien den amerikanischen Unternehmer- und Erfindergeist in besonderer Weise ansprechen. Es geht hier letztlich auch um die Wettbewerbsfähigkeit der USA.

Frage: Aber Trump glaubt ja angeblich noch nicht mal an den Klimawandel. Würden Sie gern mal mit ihm darüber diskutieren?

Antwort: Natürlich, da würde ich mich sehr geehrt fühlen. Aber ich glaube nicht, dass das realistisch ist. Wir suchen aber natürlich Kontakt zu seiner Regierung, wir wollen sehr gern in einen Dialog mit ihr eintreten.

Frage: Nehmen wir mal an, die USA steigen aus dem Klimaabkommen aus. Wie groß ist dann die Gefahr, dass andere Länder folgen?

Antwort: Ich glaube nicht, dass diese Gefahr besteht. Der Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl zeigt in dieser Hinsicht bisher gar keine Auswirkungen. Das zeigt sich darin, dass immer mehr Länder das Abkommen ratifizieren. Jetzt sind es schon 127. Einen so schnellen Ratifizierungsprozess bei einem so komplexen internationalen Abkommen hat es noch nie zuvor in der Geschichte gegeben.

Frage: Wie sieht es mit China aus? China müsste sein Wirtschaftswachstum ja drosseln, um seine Klimaziele zu erfüllen. Ist das realistisch - gerade jetzt, da Trump auf Konfrontationskurs zu China geht?

Antwort: Für China hat der Klimaschutz wirklich oberste Priorität, und das wird sich meiner Überzeugung nach auch nicht ändern. Warum? Weil die Menschen in China unter der Luftverschmutzung wirklich leiden. Ich bin schon öfters dort gewesen, und manchmal kann man nicht mal die gegenüberliegende Straßenseite sehen. Einmal war ich in einem Hotel in einem Wolkenkratzer ganz oben, aber ich konnte absolut nichts erkennen, wenn ich aus dem Fenster sah. Nur Smog. Und wenn man eine solche Situation hat, dann kann man eben nicht sagen: "Ach, wir stellen das jetzt doch nochmal zurück!" Das geht nicht. Und so ist es in vielen anderen Ländern auch. Dazu kommt: China ist mittlerweile ein führender Hersteller von grüner Technologie. Die sind da sehr konkurrenzfähig, ja, ich gehe so weit zu sagen: China entwickelt sich in schnellem Tempo zum wichtigsten Hersteller von sauberen Technologien weltweit.

Frage: Gerät Europa ins Hintertreffen?

Antwort: Europa hat immer eine Führungsrolle im Klimaschutz gespielt, und das wird auch so bleiben, davon bin ich überzeugt. Europa engagiert sich sehr stark, und das gilt natürlich auch und besonders für Deutschland. Spitzenforschung, Innovationsgeist und grenzüberschreitendes Denken - das sind deutsche Stärken, die im Klimaschutz ganz besonders zum Tragen kommen.

Frage: Haben Sie noch einen originellen Tipp, was der Einzelne für das Klima tun kann - außer Fahrradfahren?

Antwort: Wir alle hier in Deutschland können einen enormen Einfluss ausüben durch die Wahl der Produkte, die wir kaufen. Wie ist die Produktionskette, wo kommt das her, wie grün ist diese Ware? Dazu lassen sich heute relativ einfach Informationen gewinnen. Ein solcher Druck durch den Verbraucher auf den Hersteller und die Händler ist immer am effektivsten. Wir haben auch alle ein Bankkonto. Was macht die Bank mit unserem Geld, wo und wie investiert sie es? Das ist ganz wichtig, es darf nicht nur um den Service gehen, den wir dort bekommen. Ein anderes Beispiel: Müll. Eine Ware, die winzig klein ist aber, aber mit riesiger Verpackung - die sollten wir nicht kaufen. Macht ja auch nur unnötig Arbeit. Oder die Verschwendung von Lebensmitteln. Wir können im Restaurant sagen: "Für mich bitte eine kleine Portion." Dann heißt es wahrscheinlich: "Kostet aber das gleiche." Egal. Dafür wird nichts weggeschmissen. Auf diesem Weg müssen wir vorangehen - jeden Tag.

ZUR PERSON: Die Mexikanerin Patricia Espinosa (58) löste im vergangenen Jahr Christiana Figueres als Generalsekretärin des UN-Klimasekretariats in Bonn ab. Ihr großes Ziel ist die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Espinosa, die in ihrer Jugend die Deutsche Schule in Mexiko-Stadt besucht hat, spricht gut Deutsch. Zweimal war sie mexikanische Botschafterin in Berlin und von 2006 bis 2012 Außenministerin ihres Landes. Großes Lob erntete Espinosa 2010 als Gastgeberin des Klimagipfels von Cancún: Als sich Bolivien als einziges der über 190 Länder dem von ihr vorgelegten Kompromiss widersetzte, erklärte sie das Abkommen einfach per Hammerschlag für angenommen./cd/DP/he