Ifo-Präsident Clemens Fuest rechnet im Falle eines ungeregelten Brexit mit "riesigen Kosten". Laut Außenhandels-Präsident Holger Bingmann ist die Zeit vor dem eigentlich für Ende März vorgesehenen EU-Ausstieg zu knapp, um sich in erforderlicher Weise auf einen harten Brexit vorzubereiten: "Ein ungeordnetes Ausscheiden riskiert ein bilaterales Außenhandelsvolumen Deutschlands von über 175 Milliarden Euro - an Ein- und Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen. Es droht eine unmittelbar durchschlagende Rezession in der britischen Wirtschaft, die auch an Deutschland nicht unbemerkt vorüberziehen würde", warnte der Chef des Branchenverbands BGA am Mittwoch.

Laut dem Präsidenten der Automobil-Lobby VDA, Bernhard Mattes, könnte sich eine Verschiebung des Austrittsdatums als sinnvoll erweisen: "Sofern damit substanzielle Fortschritte erreicht werden können." Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kann man einem Aufschub aber kaum etwas abgewinnen: Letztendlich bliebe der "gordische Brexit-Knoten" weiter ungelöst, so DIHK-Chef Eric Schweitzer.

Für DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben ist die Verbindung zwischen Großbritannien und Europa wirtschaftlich so eng, dass eine Grenze "eigentlich" nicht funktioniere. Er verwies im SWR darauf, dass etwa 10.000 bis 12.000 Lkw derzeit "im normalen Geschäft" durch Dover fahren: "Man muss sich mal vorstellen, jeder Lkw wird eine Viertelstunde, 20 Minuten, eine halbe Stunde kontrolliert, das kann man sich nicht mehr vorstellen." Solche Dimensionen seien nicht zu bewältigen.

Auch beim Industrieverband BDI läuten die Alarmglocken: "Unternehmen dies- und jenseits des Ärmelkanals hängen weiter in der Luft. Ein chaotischer Brexit rückt in gefährliche Nähe", warnte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.

"DATENCHAOS DROHT"

Auch Bitkom-Präsident Achim Berg schwant Böses: "Mit der Ablehnung des Brexit-Deals droht Europa ein Datenchaos." Ab dem 30. März müssten deutsche Unternehmen dann ihre britischen Geschäftspartner und Kunden, dortige Rechenzentren oder IT-Dienstleister behandeln, als säßen sie außerhalb der EU: "Wer dies missachtet, und zum Beispiel Kunden- oder Auftragsdaten im Vereinigten Königreich verarbeiten oder speichern lässt, verstößt gegen die Datenschutzgrundverordnung - mit den bekannten hohen Bußgeldrisiken." Um diese zu vermeiden, gelte es, die explizite Einwilligung jedes einzelnen Betroffenen einzuholen, unzählige Verträge mit sogenannten Standardvertragsklauseln anzupassen oder sich als Konzern verbindliche interne Datenschutzvorschriften genehmigen zu lassen, so der IT-Verband.

Der Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass sich Großunternehmen bereits lange auf einen ungeregelten Brexit vorbereitet haben: "Viele Mittelständler mit Lieferverträgen ins Vereinigte Königreich sind allerdings auf Expertise von außen angewiesen." Hier seinen unter anderem Kammern und Unternehmensverbände gefragt.

Der Berliner Ökonom Marcel Fratzscher sagte indes, die Kosten eines harten Brexit für Deutschland würden häufig überschätzt. Deutsche Firmen hätten immer wieder gezeigt, dass sie flexibel und schnell auf Schocks reagieren könnten. "Ähnlich sollte es im Falle eines harten Brexit sein", so der DIW-Präsident.