Die Übersicht in Kurzmeldungen zu Entwicklungen, Ergebnissen und Einschätzungen rund um die bundesdeutsche Politik:


IW: Weniger Arbeiten bedroht den Wohlstand 

Die Deutschen hätten gerne mehr Freizeit - egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich. Das zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), wie das IW mitteilte. "Das bedroht den Wohlstand", warnte das arbeitgebernahe Institut. Seit Jahren forderten Arbeitnehmervertreter kürzere Arbeitszeiten. Laut der Studie wollten längst nicht nur Personen der Generation Z weniger arbeiten, sondern alle. Die Wünsche reichten im Schnitt von zwei bis zu drei Stunden weniger in der Woche, Tendenz weiter sinkend. Das sei problematisch, denn Deutschland altere enorm: In den nächsten Jahren erreichten deutlich mehr Menschen das Rentenalter, als Jüngere nachrücken. Ob diese Lücke mit Arbeitskräften aus dem Ausland geschlossen werden könne, bleibe fraglich. "Das ist ein Riesenproblem", sagte IW-Experte Holger Schäfer. "Diese Entwicklung gefährdet unseren Wohlstand." Deutschland könne es sich nicht leisten, die Arbeitszeit zu verkürzen. Stattdessen müssten die Menschen eher ein bis zwei Stunden die Woche mehr arbeiten. Die Politik müsse "dringend Anreize und Rahmenbedingungen schaffen, um längere Arbeitszeiten zu fördern".


Arbeitgeber werben für "Sommer der Berufsausbildung" 

Der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat zum Start der Aktion "Sommer der Berufsausbildung 2024" für Praktika als Brücke ins Berufsleben geworben. "Knapp 50.000 Schüler und Schülerinnen brechen jährlich die Schule ab", sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung. "Angesichts fehlender Fachkräfte ist das teuer verschenktes Potenzial", betonte Dulger. "Umso wichtiger werden Praktika als Brücke ins Berufsleben." Immerhin 60 Prozent aller Unternehmen fänden so ihre Auszubildenden. "Indem wir junge Menschen im Praxistest für eine Berufsausbildung begeistern und ihnen Perspektiven aufzeigen, gehen wir zwei Probleme aktiv an: Wir schaffen Zukunftschancen und verringern den Fachkräftemangel", sagte der Arbeitgeberpräsident. Mit der Aktion werben Ministerien, Behörden, Wirtschaft und Gewerkschaften unter dem Dach der Aus- und Weiterbildungsallianz laut den Angaben von Anfang Mai bis Ende Oktober gemeinsam für die berufliche Ausbildung in Deutschland. Im Fokus stehe die Vermittlung der Vielfalt, Attraktivität, und der Karrierechancen der dualen Ausbildung.


FDP mahnt SPD und Grüne zu Realismus bei Schuldenbremse 

FDP-Chefhaushälter Otto Fricke hat SPD und Grüne zu mehr Realismus in der Diskussion um eine Lockerung der Schuldenbremse aufgefordert. "Bei aller Diskussion über den Haushalt 2025 darf nicht vergessen werden, dass es keinerlei Mehrheiten gibt, die Schuldenbremse mit der nötigen verfassungsändernden Mehrheit zu schwächen", sagte Fricke der Rheinischen Post. "Jede Diskussion hierüber lenkt von der eigentlichen Aufgabe der Haushaltspolitik ab", sagte er. SPD und Grüne wollen die Schuldenbremse in der Debatte über den Bundeshaushalt 2025 lockern oder aussetzen, die FDP stemmt sich dagegen. Unterdessen kritisierte die Union das Verfahren von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2025. "Der Verzicht auf das Eckwerteverfahren erweist sich als strategisch schwerer Fehler", sagte der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Christian Haase (CDU), der Zeitung. Angesichts der finanzpolitischen Dimension und komplexen koalitionsinternen Problemstellung hätte Lindner nicht auf Zeit spielen und dem Prinzip "Hoffnung" Vorrang geben sollen. "Diese Naivität macht sprachlos", sagte Haase.


Experten warnen vor Mindestlohn-Diktat durch Politik 

Angesichts neuer Forderungen nach einem Anstieg des Mindestlohns bis auf 15 Euro warnen Experten vor einem politisch festgelegten Mindestlohn. "Die Politik sollte die Mindestlohn-Kommission arbeiten lassen", sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm der Bild-Zeitung. "Man hat sie ja geschaffen, damit vor einer Anpassung des Mindestlohns alle Aspekte sorgfältig abgewogen werden können." Grimm betonte, "der Fachkräftemangel und die Inflation führen ohnehin zu mehr Lohndruck". Deutliche Kritik äußerte auch der Tarifexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch. Er habe "den Eindruck, dass die SPD von Tarifautonomie nichts mehr hält", erklärte Lesch. SPD und Grüne "beschädigen das ganze Tarifsystem. Das ist keine Tarifautonomie mehr, sondern staatlich gelenkte Lohnpolitik". Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hielt weitere Mindestlohnerhöhungen grundsätzlich für nötig. "Die letzten Erhöhungen waren ziemlich dürftig. Da gibt es einiges aufzuholen. 15 Euro pro Stunde auf einen Schlag ist aber zu hoch gegriffen", sagte er.


SPD-Fraktion dringt auf Aussetzen der Schuldenbremse 

Die SPD-Bundestagsfraktion dringt in den Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 auf ein Aussetzen der Schuldenbremse. "Für die SPD steht dabei die innere, äußere und soziale Sicherheit im Fokus. Dabei dürfen diese Ausgaben nicht gegeneinander ausgespielt werden", sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post der Rheinischen Post. "Das Aussetzen der Schuldenbremse wäre deshalb eine Option, die es für den Haushalt 2025 zu prüfen gilt", sagte Post. "Ein starkes Deutschland braucht einen starken Haushalt, der in unsere innere und äußere Sicherheit investiert, gleichzeitig die Betriebe in unserem Land und Millionen von Familien stärkt." Auch die Grünen-Bundestagsfraktion warnte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor einem harten Sparkurs im Bundeshaushalt 2025. "Es herrscht Krieg in Europa, die Wirtschaft stagniert, die Klimakrise spitzt sich zu, und die gesellschaftliche Stimmung ist polarisiert. Das sind keine normalen Zeiten", sagte Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler dem Blatt. "Ein harter Sparkurs würde die ökonomische Lage verschärfen und den sozialen Frieden und die demokratische Stabilität gefährden. Man spart nicht in die Krise hinein", warnte Kindler. Die Ressorts müssen bis Donnerstag ihre Ausgabenpläne für 2025 bei Lindner anmelden.


Städtetag warnt vor Flickenteppich bei Bezahlkarte 

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, hat die Bundesländer bei der Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge zu einheitlichen Standards aufgerufen und eine Pflicht für Kommunen gefordert. Die Länder seien jetzt am Zug, sagte Dedy der Rheinischen Post. "Sie müssen sich auf möglichst einheitliche Standards einigen. Von den Landesregierungen erwarten wir, dass sie sich miteinander dazu abstimmen", sagte Dedy. Aus Sicht der Städte müsse eine Bezahlkarte einfach handhabbar sein und sollte den Verwaltungsaufwand für die Städte reduzieren. "Sinnvoll wäre es auch, dass die Länder die Karte für die Kommunen verbindlich machen. Sonst würde das eintreten, was wir befürchtet haben: Ein Flickenteppich der Anwendungsregeln für die Bezahlkarte, der die Leistungsberechtigten, den Einzelhandel und die Kommunen vor unnötig große Herausforderungen stellt", so Dedy.


Wirtschaftsweiser Truger für Mindestlohn von mindestens 14 Euro 

In der Debatte um eine Erhöhung des Mindestlohnes fordert der Wirtschaftsweise Achim Truger einen Anstieg um deutlich mehr als 13 Prozent zum Jahreswechsel. "Der aktuell für 2025 vorgesehene Mindestlohn von 12,82 Euro gibt nach der hohen Inflation keinen Mindestschutz für die Beschäftigten mehr", sagte Truger der Bild-Zeitung. "Dazu müsste er 2025 auf mindestens 14 Euro steigen." Truger ging davon aus, dass der Arbeitsmarkt diese Erhöhung "gut verkraften" könne und kein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu befürchten sei. "Der Mindestlohn hat sich bewährt, alle Horrorszenarien sind ausgeblieben", sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.


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May 02, 2024 06:09 ET (10:09 GMT)