"Das ist die Logik unseres Geschäfts: Wir sind zum Wachsen verdammt", sagte Theodor Weimer am Mittwoch in Frankfurt. "Wir können uns nicht zu Tode sparen." Ausbauen will der 59-jährige gelernte Investmentbanker, der zuletzt auf dem Chefsessel der Münchener HypoVereinsbank saß und Anfang des Jahres zur Börse wechselte, etwa das Geschäft mit Daten und Indizes, aber auch den Anleihehandel. Größere Übernahmen plant Weimer nicht, will kleinere Gelegenheiten aber auch nicht liegen lassen, wenn sie die Börse sinnvoll verstärken. Für Akquisitionen stünden rund 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung.

Ein zentraler Baustein der Wachstumsstrategie ist für Weimer das Clearing von Derivaten. Dahinter verbirgt sich die Abrechnung und Abwicklung von Handelsgeschäften, was bislang fast ausschließlich in London passiert. Der Brexit im kommenden Frühjahr biete hier aber eine "einmalige Chance" für Frankfurt, sagte Weimer. Ähnlich hatte schon sein Vorgänger Carsten Kengeter argumentiert, der erst die Fusion mit der LSE begraben musste und dann über eine Insiderhandel-Affäre stolperte.

Insgesamt werden pro Tag Derivatetransaktionen in einem Volumen von einer Billion Euro verrechnet. Nach den Worten von Finanzchef Gregor Pottmeyer will die Börse ihren Marktanteil bis Ende kommenden Jahres auf 25 Prozent steigern - bislang spielt sie in dem Geschäft nur eine Nebenrolle. Dass ein Teil des Clearings nach dem Austritt von Großbritannien aus der EU von London nach Kontinentaleuropa abwandern wird, ist Experten zufolge absehbar.

"DAS KÖNNEN WIR NICHT STEMMEN"

Dass die Deutsche Börse nach dem gescheiterten Fusionsversuch mit der LSE selbst von einem Konkurrenten geschluckt werden könnte, befürchtet Weimer nicht. Dank des Vetorechts der hiesigen Aufseher sei gegen deren Willen und den Willen der Börse keine Übernahme denkbar. Kengeter hatte wiederholt gewarnt, der Börsenkonzern könne schnell selbst zum Ziel werden, sollte die Fusion mit der LSE scheitern.

Die Übernahme einer größeren internationalen Börse will Weimer umgekehrt aber auch nicht angehen. Dazu sei die Deutsche Börse ungeachtet ihrer starken Ausgangsposition als viertgrößte Börsenorganisation der Welt schlicht nicht in der Lage. Die großen US-Börsen CME und ICE seien zweieinhalb beziehungsweise zweimal so groß wie die Frankfurter Börse und auch eine Übernahme der Börse Hongkong als drittgrößter Börse der Welt sei nicht realistisch. "Das könnten wir nicht stemmen. Die sind uns enteilt." An kleineren Börsenbetreibern wie der Mehrländerbörse Euronext hat Weimer kein Interesse.

Insgesamt hielt sich Weimer nach gerade einmal knapp acht Wochen im Amt zur künftigen Strategie noch bedeckt. Erst Ende Mai, also nach der Hauptversammlung am 16. Mai, will er den Aktionären erklären, wie er das Unternehmen auf mittlere Sicht ausrichten will. Aber: "Erwarten Sie keine großen Würfe." Klar ist für ihn jedoch: Im laufenden Jahr sollen die Erlöse um mindestens fünf Prozent, der Gewinn um "mindestens zehn Prozent" steigen.

Im vergangenen Jahr, das von der geplatzten Fusion, der Affäre um Kengeter und extrem niedriger Schwankungen an den Märkten gekennzeichnet war, verfehlte die Börse zwar die eigenen Erwartungen etwas. Unter dem Strich blieb aber immer noch ein um sechs Prozent höherer Gewinn von 857 Millionen Euro. Um die Aktionäre bei Laune zu halten, erhöht Weimer die Dividende um 10 Cent auf 2,45 Euro. Er selbst will 2018, 2019 und 2020 aus seinem Privatvermögen jeweils für 1,5 Millionen Euro Aktien des Konzerns kaufen. "Damit sichergestellt ist, dass ich auch am Aktienkurs Interesse habe."