Zürich (awp) - Die Spionageaffären bei der Credit Suisse sind offenbar um ein Kapitel reicher: Der entlassene CS-Stabchef Pierre-Olivier Bouée hat offenbar nicht nur die Überwachung der ehemaligen Geschäftsleitungsmitglieder Peter Goerke und Iqbal Khan angeordnet, sondern er liess auch Greenpeace ausspionieren, wie die "SonntagsZeitung" (SoZ) berichtet.

Nachdem es vor knapp drei Jahren Aktivisten der Umweltorganisation dank einer Sicherheitslücke gelungen war, die Generalversammlung der Grossbank im Zürcher Hallenstadion mit einer spektakulären Aktion zu stören, beauftragte Bouée seinen Sicherheitschef, Greenpeace zu infiltrieren. Tatsächlich gelang es der CS laut der SoZ, auf den Verteiler für geplante Aktionen der Umweltschützer zu kommen.

Wie sie das geschafft hat, will die Bank nicht mitteilen. "Wir äussern uns nicht zu Sicherheitsfragen", erklärte ein CS-Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP und wiederholte damit seine Stellungnahme gegenüber der SoZ. Bankchef Tidjane Thiam sei nicht persönlich in die Organisation der GV involiert, äusserte sich der CS-Sprecher in der Zeitung. Die Aktion von Greenpeace habe Thiam damals mit den Worten kommentiert: "Ich unterstütze die freie Meinungsäusserung."

Falsche Baustellen eingerichtet

Dank den internen Greenpeace-Mails habe die CS stets gewusst, wann Aktionen gegen sie geplant worden seien, schrieb die SoZ. Als Gegenmassnahme habe die Bank jeweils vor dem betroffen Gebäude Baustellen mit Abschrankungen eingerichtet, um die Demonstranten auf Distanz zu halten. Daneben seien Sicherheitsleute postiert worden. So sei es gelungen, die Aktivisten davon abzuhalten, in die Gebäude zu kommen.

Greenpeace selber habe nichts von der Infiltration gemerkt und sucht nun das Leck. "Wir gehen dem Hinweis nach und können zum momentanen Zeitpunkt noch keine näheren Angaben machen", sagte eine Sprecherin der SoZ.

Top-Manager überwacht

Die Credit Suisse steht seit September unter Druck, als bekannt wurde, dass sie ihren früheren Star-Manager Iqbal Khan durch Privatdetektive beschatten liess. Gemäss einer Untersuchung der Anwaltskanzlei Homburger im CS-Auftrag veranlasste Bouée die Überwachung. Damit wollte er herausfinden, ob Khan ehemalige Credit-Suisse-Kollegen abwerben würde. Khan verliess die Credit Suisse im Sommer und wurde am 1. Oktober Co-Divisionsleiter bei der UBS.

Früheren Angaben der Credit Suisse zufolge wusste Thiam von der Überwachung nichts. Stattdessen habe es sich um einen Alleingang von Thiams Vertrauten Bouée gehandelt. Kurz vor Weihnachten flog auf, dass auch noch Personalchef Peter Goerke überwacht wurde. Weil Bouée dies verschwiegen hat, entliess ihn die CS fristlos. Die Finanzmarktaufsicht Finma hat mittlerweile eine Untersuchung eingeleitet.

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