Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat wie erwartet eine Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte beschlossen und zugleich überraschend eine eben solchen Zinsschritt für März angekündigt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde machte in ihrer Pressekonferenz deutlich, dass das Gremium zwar die im März anstehenden Makro-Projektionen beachten werde, der Inflationsdruck derzeit aber hoch genug für eine solche Aussage sei. Zugleich will die EZB in der im März beginnenden Phase des Bilanzabbaus an ihren Prinzipien in Bezug auf Staatsanleihen festhalten. Bei den privaten Papieren sollen dagegen "grüne" bevorzugt werden.

Folgende 7 Punkte waren am Tag der Zinsentscheidung die wichtigsten:

1. Etwas besserer Inflationsausblick

Der Inflationsausblick hat sie gegenüber Dezember verbessert, was vor allem an den deutlich gesunkenen Energiepreisen liegt. Lagarde sprach davon, dass die Inflationsrisiken zwar immer noch überwiegend aufwärts gerichtet seien, aber "ausgewogener" als zuvor - "vor allem kurzfristig", wie sie anmerkte. In nächster Zeit will die EZB vor allem auf die Entwicklung der Energiepreise und der Löhne achten. Letztere befinden sich Lagarde zufolge im Aufholmodus und würden stark von der Gesamtinflation beeinflusst.

2. Wachstumsausblick etwas aufgehellt

Auch der Wachstumsausblick hat sich nach Einschätzung des Rats etwas aufgehellt. Zwar dürfte die Wirtschaftsaktivität nach seiner Einschätzung kurzfristig schwach bleiben, doch sieht das Gremium zum Beispiel die Möglichkeit, dass sich der Kaufkraftverlust demnächst verlangsamt, was dem Konsum zu Gute kommen würde. "Wir sollten feiern, dass wir derzeit noch nicht in negativem Territorium sind", sagte sie mit Blick auf das leichte Wirtschaftswachstum im vierten Quartal.

3. Auch im März eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte - und danach?

Wie erwartet hat der Rat die Zinsen um 50 Basispunkte angehoben und - überraschend - einen Zinsschritt gleicher Größe für März angekündigt. Lagarde hatte einige Mühe zu erklären, warum die EZB einerseits angeblich von Meeting zu Meeting entscheidet, andererseits aber Zinsschritte ankündigt. "Wir entscheiden von Sitzung von Sitzung, aber wenn wir starke Daten haben, ist es legitim, schon vor der nächsten Sitzung eine Absicht auszudrücken", sagte sie. Danach will die EZB ihren Zinskurs überdenken. Lagarde zufolge ist die EZB "noch nicht fertig". Analysten interpretieren das als eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte im Mai.

4. EZB baut Staatsanleihebestände "proportional" ab

Die EZB verringert das Volumen der unter dem APP-Programm erworbenen Anleihen von März bis Ende Juni um monatlich 15 Milliarden Euro. Den Abbau ihrer Staatsanleihebestände will die EZB so steuern, dass das Volumen der Wiederanlage von Tilgungsbeträgen der Anleihen einzelner Länder dem Volumen der fällig werdenden Papiere entspricht. Auch das Verhältnis nationaler und supranationaler Emittenten soll gewahrt bleiben. Zudem sollen die Wiederanlagen zeitlich so gestaltet werden, dass eine "regelmäßige und ausgewogene Marktpräsenz" gewährleistet ist.

5. Private APP-Papiere werden nach "grünen" Kriterien reinvestiert

Die EZB will "grüne" Papiere mit dem Beginn der Phase nur noch teilweiser Reinvestitionen bevorzugen, was sowohl für Anleihen, als auch ABS und Covered Bonds gilt. Während normale Papiere ab März nur noch am Sekundärmarkt erworben werden sollen, "Emittenten aus dem Nichtbankensektor, die eine bessere Klimabilanz aufweisen, sowie 'grüne' Unternehmensanleihen" weiterhin am Primärmarkt angekauft werden. Zudem hat der EZB-Rat beschlossen, die Ankäufe von Unternehmensanleihen stärker auf Emittenten mit einer besseren Klimabilanz auszurichten.

6. Spread-Kontrolle nur bei Erfordernis

Angesichts der herannahenden Bilanzverkleinerung geraten an den Märkten wieder stärker die Anleihen hoch verschuldeter Staaten in den Fokus. Was, wenn deren Renditen stärker als die anderer Papiere steigen? Lagarde machte klar, dass für die EZB der verstärkte Ankauf von Anleihen dieser Länder im Rahmen des PEPP-Programms die "erste Verteidigungslinie" ist, das extra entworfene Programm zur Begrenzung der Spreads, das "Transmission Protection Instrument" (TPI) dagegen nur die zweite. Zudem werde das TPI nur dann eingesetzt, wenn die geldpolitische Transmission "aus illegitimen Gründen" beeinträchtigt sei.

7. Die Stimmung im EZB-Rat

Wie immer waren die geldpolitischen Beschlüsse das Ergebnis eines Kompromisses, und die EZB-Präsidentin bemühte sich, den Eindruck von Harmonie zu verbreiten. Es habe eine "sehr, sehr große Mehrheit" in Rat für den Zinserhöhungsbeschluss und die "Absichtserklärung" für März gegeben, versicherte sie. Und auch in der Beurteilung von Wachstums- und Inflationsrisiken habe Einigkeit geherrscht. Was an diesem Donnerstag tatsächlich im Rat los war, wird die Öffentlichkeit ansatzweise erst mit Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls erfahren.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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February 02, 2023 11:37 ET (16:37 GMT)