Von Carol Ryan

SINGAPUR (Dow Jones)--Länder, die Öl und Gas importieren, machen sich Sorgen über die Macht der Förderländer, insbesondere seit Russland in die Ukraine einmarschiert ist. Noch größere Risiken drohen jedoch in der globalen Lieferkette für grüne Energie.

China raffiniert 95 Prozent des weltweiten Angebots an Kobalt, einem Metall, das in Lithium-Ionen-Batterien verwendet wird. Das Land stellt über 70 Prozent der Photovoltaik-Module auf Silizium-Basis her und besitzt drei Viertel der weltweiten Produktionskapazitäten für Batterien, die in Elektrofahrzeuge eingebaut werden.


Hohe Abhängigkeit 

Diese Zahlen, die vergangene Woche von der Internationalen Energieagentur veröffentlicht wurden, verdeutlichen, wie abhängig die Welt beim Übergang zu erneuerbaren Energien von China ist.

Im Vergleich dazu wirkt der Ölmarkt geradezu zersplittert. Nach Angaben von Goldman Sachs haben die 13 Länder der Organisation Erdöl exportierender Länder seit Anfang der 1990er Jahre rund 40 Prozent des weltweiten Erdölangebots unter Kontrolle. Nimmt man die zusätzlichen Produzenten der größeren Opec+-Gruppe, wie Russland, hinzu, steigt dieser Anteil auf 60 Prozent. Im Moment hat das Ölkartell einen viel größeren Einfluss auf die Weltwirtschaft als die Anbieter grüner Energietechnologien, aber das könnte sich ändern, wenn sich der Energiemix der Welt ändert.


Strategisch wichtig 

China dominiert heute die Produktion bei Technologien für erneuerbare Energien. Möglich wurde dies durch jahrelange großzügige Subventionen und den Zugangs zu billiger Energie, Arbeitskräften und Land. Die chinesische Regierung hatte saubere Energie bereits vor mehr als einem Jahrzehnt als strategisch wichtig erkannt. Zwischen 2018 und 2022 lag der Anteil Pekings an den weltweiten Investitionen in neue Fabriken für saubere Energieprodukte wie Solarpaneele und Windturbinenkomponenten laut Daten von BloombergNEF konstant bei 80 Prozent.


Strom aus PV-Anlagen wird billiger 

Bislang hat die Welt von Chinas kostengünstiger Produktion und hochintegrierten Lieferketten profitiert, die die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Energien drastisch verbessert haben. Von 2010 bis 2021 sind die Kosten für Strom aus großen Photovoltaikanlagen je nach Land um bis zu 90 Prozent gesunken.

Die jüngsten geopolitischen Spannungen haben westliche Regierungen dazu getrieben, die Lieferketten in sensiblen Branchen wie der Halbleiterindustrie und der sauberen Energie zu diversifizieren. Der Inflation Reduction Act der USA bietet Subventionen, um die heimische Produktion von Elektrofahrzeugen, Solar- und Windenergiekomponenten zu fördern.

Die Steuergutschriften sind an die lokale Produktion geknüpft: Elektrofahrzeuge müssen zum Beispiel in Nordamerika montiert werden, um für Subventionen in Frage zu kommen. Die Europäische Union könnte ihre Regeln für staatliche Beihilfen lockern, damit die Gemeinschaft eine ehrgeizige grüne Industriepolitik anschieben kann, die mit Washingtons Großzügigkeit konkurriert.


Lokale Produktion kostenintensiv 

Der Aufbau lokaler Fertigungskapazitäten für saubere Energietechnologien wird nicht billig sein. Allein die Kosten für den Bau von Fabriken könnten laut BloombergNEF in den USA und der EU bis zu sechsmal höher sein als in China. Höhere Lohn- und Energiekosten bedeuten, dass auch der Betrieb der Fabriken die Kosten und damit die Komponentenpreise in die Höhe treibt. Ein im Westen produzierter Elektrolyseur ist zum Beispiel fünfmal so teuer wie einer aus China.

Die Gesamtkosten für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft würden ohne China nach oben schießen. Eine breitere Diversifikation der Lieferketten hätte andererseits den Vorteil einer größeren Energiesicherheit sowie neuer, hochqualifizierter Arbeitsplätze in der lokalen Fertigung.

Die Hoffnung, dass erneuerbare Energien die Energiekosten senken werden, scheint im Großen und Ganzen unrealistisch. Die Energie aus Wind und Sonne ist zwar kostenlos, aber die für ihre Nutzung notwendige Industrie wird es nie sein.

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DJG/DJN/rer/smh

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January 17, 2023 03:09 ET (08:09 GMT)