Mitten in der Corona-Krise bereitet der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler eine womöglich milliardenschwere Kapitalerhöhung vor.

Die Eignerfamilie Schaeffler will dem Management um Konzernchef Klaus Rosenfeld überraschend die Möglichkeit geben, die Zahl der Aktien um fast ein Drittel zu erhöhen. Wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte, soll eine außerordentliche Hauptversammlung bereits am 15. September den Rahmen für die Ausgabe von bis zu 200 Millionen neuen Vorzugsaktien schaffen, bei dem die Familie und die übrigen Anteilseigner ein Bezugsrecht haben. Zum gegenwärtigen Kurs entspricht das einer Summe von mehr als einer Milliarde Euro. Die Vorzugsaktie war mit einem Minus von rund acht Prozent größter Verlierer im Kleinwerteindex SDax.

"Das ist ein reiner Vorratsbeschluss, den es bei Schaeffler bisher so nicht gab", sagte Rosenfeld der Nachrichtenagentur Reuters. "Das gibt uns die Möglichkeit, schnell zu reagieren." Zu der Frage, warum im Einzelnen das Unternehmen nun überraschend die Notwendigkeit sieht, sich kurzfristig Geld an der Börse zu besorgen, hielt sich der Konzernchef bedeckt. "Ob wir eine mögliche Kapitalerhöhung für Zukäufe oder für organisches Wachstum nutzen, ist noch offen." An der Strategie, dass Schaeffler keine großen Übernahmen anstrebt, habe sich nichts geändert. Der Konzern wolle mit einer möglichen Kapitalerhöhung seine Transformation vorantreiben, Wachstumschancen nutzen und den Streubesitz erhöhen.

Bisher hat das Unternehmen insgesamt 666 Millionen Aktien, davon 500 Millionen Stammaktien und 166 Millionen stimmrechtslose Vorzugsaktien. Die Stammaktien und damit sämtliche Stimmrechte befinden sich im Besitz der Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann und ihres Sohns Georg Schaeffler. Beide halten damit zugleich 75 Prozent des Aktienkapitals. Die Vorzugsaktien befinden sich bisher vollständig im Streubesitz.

"Für das Management ist das ein großer Vertrauensbeweis der Familie", sagte Rosenfeld, der auch Mitglied der Geschäftsführung der IHO-Holding ist, in der die Familie ihre Anteile an Schaeffler und dem Autozulieferer Continental gebündelt hat. Es gebe noch keine Entscheidung, wie sich die Familie im Falle einer Kapitalerhöhung verhalte, fügte Rosenfeld hinzu. "Mit dem Beschluss eröffnen sich der Familie mehrere Möglichkeiten." Sie könne aufgrund ihres Kapitalanteils bis zu 75 Prozent der Bezugsrechte ausüben oder aber zulassen, dass ihr Kapitalanteil sinke. "Oder etwas dazwischen."

Nach dem Umsatzeinbruch und den Verlusten in der Corona-Krise erhole sich das Geschäft weiter, sagte Rosenfeld. "Dass sich der positive Trend unseres Geschäfts im Juli und August fortsetzt, macht uns zuversichtlich." Schaeffler habe im ersten Quartal Bilanzrisiken bereinigt und habe "eine starke Liquiditätslage". Der Konzern hatte zu Jahresbeginn 249 Millionen Euro auf seine Autozuliefersparte abgeschrieben.