FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Niedrige Arbeitslosenzahlen in den USA haben Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Zinserhöhungen zunichte gemacht. Die Renditen steigen kräftig - auch hierzulande. Unternehmensanleihen kommen einmal mehr gut an - nur nicht solche aus der Immo-Branche.

++++

Volatilität, Limits und offenes Orderbuch im Xetra-Handel.

Online-Session am 10. Juli, 12 Uhr

Am Montag gehen wir in die Tiefe von Europas wichtigster Börse für deutsche Aktien und vor allem ETFs, Xetra Trading. Wie läuft der Handel, was sind Quotes, warum immer Limits setzen, was passiert bei einer Vola-Unterbrechung und was bei einer Aussetzung. Natürlich mit viel Zeit für Ihre Fragen. Jetzt anmelden und erinnert werden.

Jetzt anmelden: boerse-frankfurt.de/webinare

++++

8. Juli 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Hohe Zinsen belasten den Arbeitsmarkt und die Konjunktur? Davon ist in den USA zumindest bislang nichts zu sehen. Vielmehr könnte der Mangel an Arbeitskräften zu höheren Löhnen und noch höherer Inflation führen. Daher sorgten die sehr starken US-Arbeitsmarktzahlen vom Dienstleisters ADP am gestrigen Donnerstag für Wirbel an den Finanzmärkten. Dazu kam ein unerwartet starker ISM-Index der Dienstleistungen für den Juni. Die Aktienkurse fielen, die Renditen stiegen, auch in Europa. Nun wird auf die offiziellen US-Arbeitsmarktzahlen gewartet, die heute Nachmittag veröffentlicht werden.

"Nach den überraschend robusten US-Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten scheint es nahezu sicher, dass die US-Notenbank im Juli die Zinsen ein weiteres Mal um 0,25 Prozent anheben wird", erklärt Tim Oechsner von der Steubing AG. "Anleiheinvestoren hatten gehofft, dass der Höhepunkt der Zinserhöhungen bereits erreicht ist." Laut Arthur Brunner von der ICF Bank sind die Marktteilnehmer vielleicht zu optimistisch gewesen. "Immerhin ist die Inflation weiter hoch."

Renditen: Teils höchster Stand seit Finanzkrise

Im Wochenvergleich ergibt sich ein großer Renditesprung: Zehnjährige Bundesanleihen rentieren aktuell mit 2,62 Prozent nach 2,45 Prozent vor einer Woche. Das Mehrjahreshoch vom Februar bei 2,77 Prozent rückt damit in Greifweite. Zweijährige Schatzrenditen haben ihre Hochs vom März bereits überschritten.

In den USA sieht es ähnlich aus: Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg erstmals seit vier Monaten wieder über 4 Prozent, die zweijähriger Papiere über 5 Prozent. Mit zeitweise 5,12 Prozent erreichte die Rendite für die zweijährigen Papiere den höchsten Stand seit 2007.

Griechenland zahlt weniger als Italien

Die Zinsaufschläge europäischer Staatsanleihen haben sich in den letzten Wochen wieder etwas erhöht, wie Anleiheanalyst Hauke Siemßen von der Commerzbank feststellt. Bemerkenswert sei weiterhin der Renditeaufschlag griechischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen von lediglich 135 Basispunkten. "Damit bieten sich dem griechischen Staat sogar attraktivere Finanzierungskonditionen als Italien." Hintergrund seien wohl Hoffnungen auf eine schnelle Rating-Verbesserung nach der Wahl in Griechenland. "Fundamental erscheint uns ein solch niedriger Renditeaufschlag nicht gerechtfertigt."

Beliebte Porsche-Anleihen

Was Unternehmensanleihen angeht, hält die Kauflaune an. "Die Zinsen steigen, und die Anleger steigen ein", formuliert es Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Käufe meldet er für die im Juni emittierte Sixt-Anleihe mit 5,125 Prozent bis 2027 (DE000A351WB9) und die im Februar 2025 fällige VW-Anleihe mit 0 Prozent-Kupon (XS2374595127). Die Renditen liegen aktuell bei 4,38 Prozent und 4,07 Prozent.

Weiter gut an kommen die neuen Porsche-Anleihen. Daniel sieht rege Nachfrage nach der mit Fälligkeit 2027 und Kupon von 4,125 Prozent (XS2643320018), Oechsner nach der mit Fälligkeit 2030 und 4,25 Prozent (XS2643320109). "Das Unternehmen ist bekannt, die Stückelung mit 1.000 Euro klein, das zieht", bemerkt Daniel.

Alles mit Laufzeiten von ein bis zwei, maximal drei Jahren geht gut weg", berichtet Brunner. Auch beliebt: eine Euro-Anleihe der National Australia Bank (XS1412417617). Laut Brunner erfreut sich zudem der neue Bond von Hörmann Industries mit 7 Prozent bis 2028 (NO0012938325) guter Nachfrage, ebenso Papiere von Multitude (NO0012702549). In beiden Fällen handelt es sich um sogenannte Nordic Bonds, die ohne Wertpapierprospekt emittiert werden. Das Unternehmen Nordic Trustee übernimmt dafür die Überwachung der Emittentenverpflichtungen und wird auch zur Anlaufstelle bei Leistungsstörungen.

Bei der Steubing AG geht außerdem viel um in Papieren von S Immo (AT0000A35Y85), der Deutschen Bank (DE000DB7XJJ2), der NordLB (DE000NLB4RS5), Evonik Industries (DE000A185QA5), 7C Solarparken (DE000A351NK9) und AustriaEnergy International (DE000A3LE0J4) mit Laufzeiten bis maximal 2028 und Renditen um 3 oder 4 Prozent.

Immo-Branche angeschlagen

Angespannt bleibt die Lage vieler Bonds aus der Immobilienbranche. Der Kurs der DEMIRE Deutsche Mittelstand Real Estate (DE000A2YPAK1) rutschte nach einem geplatzten Immobilienverkauf um 5 Prozentpunkte ab, wie Rainer Petz von Oddo BHF meldet. "Der Vorstand hat daraufhin seine Prognose für das Geschäftsjahr 2023 nach unten angepasst."

"Speziell Mittelstandsanleihen mit Immobilienhintergrund sind unter Abgabedruck", erklärt Arthur Brunner. Als Beispiel nennt Noratis (DE000A3H2TV6). "Anleger sind vorsichtig, immerhin haben sie schon einige schlechter Erfahrungen mit Mittelstandsanleihen aus der Branche gemacht, siehe Eyemaxx Real Estate."

Auch ERWE Immobilien (DE000A255D05) bleibt angeschlagen. Das Unternehmen hatte eine am 10. Juni fällige Zinszahlung auf nicht geleistet und die Gläubiger um eine Zinsstundung und die Umwandlung der Anleihe in Eigenkapital gebeten. In der bis zum 2. Juli laufenden Abstimmung stimmten die Gläubiger für die Stundung, aber gegen die Umwandlung, wie Petz berichtet. "Jetzt ist es ungewiss, wie es weitergeht." Die Anleihe wird aktuell zu 17,5 Prozent gehandelt.

Von Anna-Maria Borse, 8. Juli 2023 © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)