Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Geldpolitik nach Ansicht deutscher Finanzmanager zu spät gestrafft. Wie das Center for Financial Studies (CFS) im Ergebnis einer Umfrage mitteilte, waren 60 Prozent der Befragten der Meinung, "dass die EZB nicht rechtzeitig reagiert hat und damit so hohe Inflationsraten mit verursacht hat".

"Die Marktteilnehmer am Finanzplatz hatten bereits Mitte 2021 und damit rechtzeitig vor den Gefahren der Inflation gewarnt und die EZB zum Handeln aufgefordert", schrieb Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, unter Bezugnahme auf frühere Umfragen. "Jetzt bleibt die EZB noch eine Weile hinter der Kurve und muss am Markt erst wieder Glaubwürdigkeit aufbauen. Erfahrungsgemäß rächt sich das, durch einen stärkeren Inflations- und letztlich Zinsanstieg."

EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hatte in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der Süddeutschen Zeitung eingeräumt, dass Zentralbanken und andere Organisationen lange Zeit geglaubt hätten, dass die Inflation vorübergehender Natur sein würde. "Das war ein Fehler", sagte er und fügte hinzu: "Im Nachhinein betrachtet, hätten wir ... eher reagieren müssen." Allerdings sei die Unsicherheit damals enorm hoch gewesen.

EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel hatte die EZB gegen solche Vorwürfe vor einiger Zeit in Schutz genommen. Er sagte, dass die Teuerungsraten im Euroraum binnen kurzem derart hochschnellen würden, habe im Sommer 2021 noch niemand ahnen können. Und Schocks wie der Ukraine-Krieg, der die Inflationsrate massiv zusätzlich befeuert habe, seien nicht prognostizierbar. "Hinterher ist man immer schlauer."

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February 09, 2023 08:54 ET (13:54 GMT)