Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Rotation der Stimmrechte der Mitglieder des EZB-Rats hat nach Aussage von Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert bisher keine spürbaren Auswirkungen auf das Stimmverhalten des Gremiums gehabt. "Wir haben die Rotation der Stimmrechte wiederholt in unseren Publikationen analysiert, einen Einfluss auf die Entscheidungen im EZB-Rat konnten wir nicht feststellen", schreibt Schubert in einem Kommentar.

Während die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums ihr Stimmrecht stets behalten, werden die Präsidenten der nationalen Notenbanken in zwei Gruppen unterteilt. Die (gemessen an der Wirtschaftskraft) fünf größten Länder (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande) erhalten vier Stimmrechte, so dass jeweils ein Land einen Monat lang nicht mitstimmen darf. Die Gruppe der anderen 14 Länder hat elf Stimmrechte, drei ihrer Mitglieder müssen also drei Monate hintereinander aussetzen.

Schubert weist darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren mitunter vorgekommen sei, dass mehrere geldpolitische "Falken" kein Stimmrecht hatten, der Vorsprung der "Tauben" also noch ausgeprägter war. "Wir haben die Rotation der Stimmrechte wiederholt in unseren Publikationen analysiert, einen Einfluss auf die Entscheidungen im EZB-Rat konnten wir nicht feststellen", befindet Schubert.

Mit den jüngsten personellen Veränderungen ist der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) laut Schubert noch "dovisher" geworden, so dass eine Mehrheit der "Tauben" nie gefährdet ist. Allerdings gibt der Analyst zu bedenken, dass der Einfluss der wenigen "Falken" in letzter Zeit sogar etwas gestiegen sein könnte.

Laut Medienberichten hatte EZB-Präsidentin Lagarde in der Dezember-Sitzung einen Kompromiss ausgehandelt, um sich die Unterstützung im Rat für das neue Maßnahmenpaket zu sichern. Demnach hatte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane eine weniger starke Aufstockung des Pandemiekaufprogramms PEPP als ursprünglich geplant vorgeschlagen.

Den Berichten zufolge hatte der EZB-Rat vor der Sitzung eine Diskussion über eine Anhebung des PEPP-Volumens um 750 Milliarden Euro begonnen. Da sich Widerstand zeigte, hatte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane den Vorschlag aber kurz vor der Sitzung auf 500 Milliarden Euro reduziert.

Auch wurde versichert, dass der PEPP-Umfang bei günstiger Entwicklung nicht vollständig genutzt werden müsste. Ferner wurde die Obergrenze, bis zu der jede einzelne Bank TLTROs nachfragen kann, verringert.

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January 19, 2021 10:07 ET (15:07 GMT)