Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte bei seinen Beratungen am Mittwoch und Donnerstag vor allem über den seit Jahresbeginn zu beobachtenden Anstieg der Staatsanleiherenditen sprechen. Analysten erwarten, dass das Gremium im Ergebnis seine Beunruhigung über diese Entwicklung aussprechen und eine Reaktion in Aussicht stellen wird. Allerdings ist zu vermuten, dass die EZB ihre Anleihekäufe im Rahmen des Pandemiekaufprogramms PEPP bereits hochgefahren hat, was sich in dem am Montag anstehenden Wochenbericht der EZB zeigen sollte.

Außerdem stehen in der Woche einige wichtige Konjunkturdaten zur Veröffentlichung an: In Deutschland die Zahlen zur Produktion und den Exporten, in den USA Inflationsdaten.

Die europäischen Staatsanleiherenditen sind seit Jahresbeginn kräftig gestiegen. In der EZB sorgt das für Unruhe, denn das kann auf steigende Finanzierungskosten für Unternehmen und private Haushalte hindeuten. In den vergangenen Wochen haben sich einige Mitglieder von EZB-Rat und -Direktorium zu Wort gemeldet, dabei zeichnete sich folgende Meinungsbild ab:


   Was ist die Ursache der höheren Staatsanleiherenditen? 

Beruht der Anstieg der Anleiherenditen auf optimistischeren Erwartungen der Marktteilnehmer im Hinblick auf Wachstum und Inflation, dann ist der Anstieg hinzunehmen. Beruht er auf externen Faktoren - und hier ist vor allem der starke Anstieg der Renditen von US-Treasuries gemeint, dem sich Bundesanleihen nicht entziehen können -, würde die EZB zum Eingreifen neigen.

Allerdings gibt es in den EZB-Gremien durchaus auch Vertreter, die einen Anstieg der langfristigen Anleiherenditen ohne Rücksicht auf dessen Ursache ablehnen, weil er die Finanzierungsbedingungen verschlechtern und damit die Erholung in einem frühen Stadium abwürgen könnte. Das andere Extrem bilden solche Vertreter, denen der Anstieg der Langfristrenditen egal ist, so lange die Finanzierungsbedingungen besonders für die Realwirtschaft günstig sind.


   EZB könnte Anleihekäufe bereits hochgefahren haben 

Da im EZB-Rat bekanntermaßen die geldpolitischen "Tauben" in der Mehrheit sind, rechnen Analysten damit, dass sich das Gremium zu einer verschärften Rendite-Rhetorik durchringen wird. Es könnte außerdem höhere Anleihekäufe unter dem PEPP begrüßen. Viele Analysten nehmen allerdings an, dass die EZB bereits jetzt mehr Anleihen kauft, was sie am Montag mitteilen und worauf EZB-Präsidentin Christine Lagarde darauf in ihrer Pressekonferenz nach der Ratssitzung verweisen könnte.

Lagarde dürfte darüber hinaus betonen, dass die EZB keine Politik der Zinskurvenkontrolle betreibe, sondern die Finanzierungsbedingungen in großer Breite im Auge behalte. Dieses Thema leitet zu einem weiteren Punkt über, der bei der Pressekonferenz eine Rolle spielen dürfte: Die Prüfung der geldpolitischen Strategie, deren Ergebnisse allerdings erst im September vorgestellt werden sollen.


   EZB-Inflationsprognose für 2023 im Fokus 

Der Rat veröffentlicht außerdem die neuen Prognosen des volkswirtschaftlichen Stabs zu Wachstum und Inflation. Analysten erwarten angesichts der zuletzt kräftig gestiegenen Verbraucherpreise, dass die Inflationsprognose für 2021 mehr oder weniger stark angehoben wird. Die EZB dürfte aber zugleich den vorübergehenden Charakter dieses Anstiegs hervorheben. Beobachter werden vor allem darauf achten, wie sich die Prognose für 2023 (derzeit 1,4 Prozent) verändert hat.

Sehr relevant für die Staatsanleiherenditen sind zwei US-Inflationsdaten für Februar, die in der Woche publiziert werden: Am Mittwoch (14.30 Uhr) kommen die Verbraucherpreise und am Freitag zur gleichen Zeit die Erzeugerpreise.


   Deutsche Produktion dürfte im Januar gesunken sein 

Das Statistische Bundesamt informiert am Montag (8.00 Uhr) über die Entwicklung der deutschen Industrieproduktion im Januar. Volkswirte rechnen mit einem Produktionsanstieg gegenüber dem Vormonat von 0,2 Prozent. Am Dienstag (8.00 Uhr) kommen Daten zur Entwicklung von Exporten und Handelsbilanz. Erwartet wird ein Rückgang der Ausfuhren gegenüber dem Vormonat um 1,8 Prozent

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/apo/kla

(END) Dow Jones Newswires

March 05, 2021 09:27 ET (14:27 GMT)