(neu: Macron zu Vermögensteuer)

GRAND BOURGTHEROULDE (dpa-AFX) - Beim Start seiner großen Bürgerdebatte hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Krise der Mittelschicht eingeräumt. Es handele sich um einen "sozialen Bruch", sagte Macron vor rund 600 Bürgermeistern in der Gemeinde Grand Bourgtheroulde in der Normandie am Dienstag. Der 41-Jährige reagiert mit dem landesweiten Dialog, der bis zu Mitte März laufen soll, auf Massenproteste der "Gelbwesten"-Bewegung.

Den Begriff "sozialer Bruch" hatte bereits der frühere Staatschef Jacques Chirac in den 1990er-Jahren geprägt. Besonders die Mittelschicht würde die Rechnung für die Krisen der vergangenen Jahre zahlen, sagte Macron.

Bei der Debatte können Bürger Vorschläge zu den Themen Steuern, ökologischer Übergang, Demokratie und Migration sowie Staatsorganisation machen. Die Debatte soll unter der Schirmherrschaft der Bürgermeister stehen. Daraus sollen dann konkrete Entscheidungen folgen. Macron hatte in einem Brief an die Franzosen knapp drei Dutzend Einzelfragen aufgelistet. "Es gibt keine Tabus", erklärte er nun bei der Auftaktveranstaltung der Debatte. Zuvor hatten ihm Linke vorgeworfen, bestimmte Themen auszuklammern.

Im Streit um die Vermögensteuer signalisierte Macron Gesprächsbereitschaft. Die Frage sei für ihn "weder ein Tabu noch ein Totem", sagte der sozialliberale Staatschef. Die Steuer war mit dem Budgetgesetz 2018 weitgehend abgeschafft worden - diese Reform hatte Macron den Ruf im Land eingebracht, ein "Präsident der Reichen" zu sein. Eine Wiedereinführung hatte er mehrfach ausgeschlossen.

Macron wurde von den Bürgermeistern in einer Turnhalle in Grand Bourgtheroulde empfangen. Der Bürgermeister der Gemeinde, Vincent Martin, hieß den Präsidenten willkommen. Er überreichte Macron ein Notizbuch mit Beschwerden seiner Einwohner. Anschließend konnten die Bürgermeister dem Präsidenten Fragen stellen und ihre Sorgen vortragen.

Vor der Turnhalle demonstrierten einige "Gelbwesten", wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Ein großes Sicherheitsaufgebot war vor Ort. Am Vormittag hatte Macron überraschend die Gemeinde Gasny besucht, rund 80 Kilometer von Grand Bourgtheroulde entfernt. Dort traf er sich mit dem Stadtrat.

Die von den "Gelbwesten"-Protesten ausgelöste Krise in Frankreich ist die bislang größte Herausforderung für den jungen Staatschef, dessen Beliebtheitswerte im Keller landeten. Die "Gelbwesten" wenden sich gegen die Reformpolitik der Mitte-Regierung, einige fordern auch den Rücktritt Macrons. Immer wieder kam es in den vergangenen zwei Monaten zu Ausschreitungen. Einer aktuellen Befragung des Senders BFMTV zufolge wollen sich 40 Prozent der Franzosen an der "nationalen Debatte" beteiligen./pog/cb/nau/DP/he