PARIS (awp international) - Der ungleiche Impffortschritt gegen das Coronavirus führt nach Einschätzung der Industriestaaten-Organisation OECD zu einem unausgewogenen Wirtschaftsaufschwung. Zwar befinde sich die Weltwirtschaft weiter im Aufschwung, die Erholungsdynamik lasse aber nach und werde zunehmend unausgewogen, teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch mit. Durch neue Virusvarianten bleibe die Unsicherheit hoch. Die meisten Industrieländer näherten sich zwar dem vor der Pandemie erwarteten Wachstumspfad. Länder mit geringerem Einkommen und vor allem die mit niedrigen Impfquoten drohten jedoch zurückzufallen.

Im diesem Jahr rechnet die OECD mit einem Wachstum der Weltwirtschaft um 5,6 Prozent und im kommenden Jahr um 4,5 Prozent. 2023 wird eine leichte Verlangsamung auf 3,2 Prozent erwartet, was etwa dem Wachstumstempo vor der Pandemie entspricht. Für Deutschland erwartet die OECD ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 2,9 Prozent 2021, um 4,1 Prozent 2022 und um 2,4 Prozent 2023. Angesichts des hohen Auftragsbestands wird in Deutschland mit einer kräftigen Belebung gerechnet, wenn die Angebotsknappheit abnimmt. Der private Verbrauch dürfte sich 2022 beschleunigen, wenn sich das Konsumklima aufhellt.

"Die kräftige Wirtschaftsbelebung der letzten Monate verlangsamt sich. Lieferengpässe, eine steigende Inflation und die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie verdunkeln den Horizont", sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann mit Blick auf die weltweite Lage. "Die Unsicherheit und die Risiken sind gross - wie das Aufkommen der Omikron-Variante zeigt - und sie verschärfen die Ungleichgewichte und bedrohen den Aufschwung." Damit der Aufschwung kräftig und auf Kurs bleibe, müsse vor allem die Gesundheitskrise bewältigt werden. Die Aufhebung staatlicher Pandemiehilfen müsse behutsam und schrittweise ablaufen, um die Konjunktur nicht zu schwächen.

Neben dem Kostendruck durch Lieferengpässe im verarbeitenden Gewerbe und Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln trieben Ungleichgewichte am Energiemarkt die Inflation in allen Volkswirtschaften im Moment in die Höhe, hiess es im OECD-Wirtschaftsausblick. Da die Lagerbestände niedriger seien als um die Jahreszeit üblich, seien die Risiken beträchtlich. Der Inflationsdruck erweist sich als stärker und dauerhafter als noch vor wenigen Monaten erwartet. Erwartet wird aber, dass die Inflation der Verbraucherpreise im OECD-Raum ab Anfang 2022 allmählich nachlässt, wenn Angebotsengpässe abnehmen, die Produktionskapazitäten steigen, mehr Menschen an den Arbeitsmarkt zurückkehren und sich die Nachfrage stabilisiert.

Das Aufkommen der Omikron-Variante verdeutliche allerdings das Risiko einer sich verschlechternden Corona-Lage, die weitere Beschränkungen nach sich zieht und so den Aufschwung gefährdet. Die OECD betonte, dass es höchste Priorität haben müsse, den Zugang zu Impfstoffen in Ländern mit geringen Einkommen zu verbessern./evs/DP/jkr