BRÜSSEL (dpa-AFX) - EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger fordert von den Staats- und Regierungschef, bis Mitte kommenden Jahres über die europäische Finanzplanung für das kommende Jahrzehnt zu entscheiden. Er erwarte, dass das Thema im zweiten Halbjahr 2018 "intensiv und rasch" angegangen werden, sagte Oettinger am Dienstag in Brüssel. Ziel müsse eine Entscheidung vor der Europawahl sein, die im Mai oder Juni 2019 abgehalten wird.

"Wenn wir zu einem Zeitpunkt, wo die Briten leider gehen, die Handlungsfähigkeit Europas demonstrieren wollen, dann müssen wir uns einigen", sagte Oettinger. Wichtig sei dies auch als Zeichen an die "Autokraten in Ankara, Moskau oder in einem Flügel im Weißen Haus". Diese erwarteten nämlich ein Scheitern des europäischen Modells. "Wenn wir gerne den Chinesen einen letzten Beweis bringen wollen, dass Demokratie nicht funktioniert, dann müssen wir scheitern", sagte Oettinger.

Die Entscheidung über die europäische Finanzplanung für die Jahre nach 2020 gilt als einer der heikelsten, die in der nächsten Zeit auf die EU zukommen. Die Mitgliedstaaten müssen sich unter anderem darüber einig werden, wie beziehungsweise ob sie die durch den Brexit entstehende Lücke im Gemeinschaftshaushalt stopfen wollen.

Nach Angaben Oettingers werden durch den Austritt Großbritanniens jährlich zwischen zwölf und 13 Milliarden Euro fehlen. Er schlägt vor, 50 Prozent des Betrags einzusparen und die anderen 50 Prozent durch zusätzliches Beiträge der verbleibenden 27 EU-Staaten zu decken. Einen detaillierten Vorschlag für den künftigen mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union will der CDU-Politiker im Mai vorlegen.

Der CSU-Politiker Markus Ferber kritisierte Oettinger für seine Forderung nach mehr Geld aus den Mitgliedstaaten. "Die zentrale Herausforderung für die nächste Haushaltsperiode ist, dass der EU-Haushalt effizienter und nicht größer werden muss", sagte er. Auch die EU müsse lernen, zu sparen und sorgfältig mit ihrem Geld umzugehen.

Für Länder wie Polen und Ungarn, die sich nicht an einen EU-Beschluss zur Umverteilung von Flüchtlingen halten wollen, forderte Ferber Mittelkürzungen. "Wer sich nicht an europäisches Recht und europäische Vereinbarungen hält, der muss mit finanziellen Konsequenzen rechnen", sagte er. Diese Sprache werde nämlich auch in Osteuropa verstanden.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte hingegen bereits am Montag seine persönliche Unterstützung für Oettingers Forderung nach mehr Geld aus den EU-Staaten signalisiert. "Nur ein starkes Europa schafft ein geeintes und handlungsfähiges Europa", sagte er. Zudem sei die Erzählung falsch, dass Deutschland der größte Nettozahler sei. In Wahrheit sei Deutschland kein Nettozahler, "sondern wohl der größte Nettogewinner der europäischen Einigung, sagte er. "Und zwar buchstäblich wirtschaftlich und finanziell".

Der 2014 gestartete und noch bis Ende 2020 laufende MFR hat ein Volumen von rund einer Billion Euro. Knapp 40 Prozent der Gelder fließen derzeit in die Agrarpolitik und sind beispielsweise zur Unterstützung der europäischen Landwirte vorgesehen./aha/DP/he