Moskau (Reuters) - In Russland steht Präsident Wladimir Putin vor einer weiteren Amtszeit.

Der 71-Jährige komme ersten Ergebnissen zufolge auf 87,97 Prozent der Stimmen, teilte die Wahlbehörde am Sonntag nach Schließung der Wahllokale mit. Der Ausgang der Abstimmung kommt nicht überraschend. Putins Gegenkandidaten galten für Beobachter als Marionetten Moskaus, andere durften nicht antreten oder sitzen in Haft. Alexej Nawalny, der bekannteste Oppositionelle, starb vor wenigen Wochen in einem russischen Straflager. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren 114 Millionen Menschen, auch in den besetzten Gebieten in der Ukraine.

Der frühere KGB-Offizier Putin regiert seit 1999 abwechselnd als Präsident und Ministerpräsident und damit so lange wie kein anderer Politiker in Moskau seit Josef Stalin. Dank einer Verfassungsänderung könnte Putin 2030 für weitere sechs Jahre antreten. Er hat Russland gut zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine fest im Griff. Der Kreml hatte Putins Wiederwahl unter anderem damit propagiert, er habe Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Stabilität gebracht und biete dem Westen die Stirn.

Aus dem Weißen Haus in den USA hieß es in einer ersten Reaktion, die Wahl sei offensichtlich weder frei noch fair gewesen. Putin habe seine Gegner ins Gefängnis werfen lassen und andere daran gehindert, gegen ihn anzutreten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, "der russische Diktator" habe "eine weitere Wahl simuliert". Putin müsse in Den Haag vor Gericht gestellt werden. "Dafür müssen wir sorgen." Das Auswärtige Amt in Berlin schrieb auf der Plattform X, es habe sich um Pseudowahlen gehandelt. "Putin herrscht autoritär, er setzt auf Zensur, Repression und Gewalt." Polen erklärte, es habe extreme Repressionen gegen die Gesellschaft gegeben, die eine freie und demokratische Wahl unmöglich gemacht hätten.

Erste Wahllokale hatten am Freitag geöffnet, die letzten am Sonntagabend geschlossen. Dabei kam es im In- und Ausland vereinzelt zu Protesten. Am Sonntagmittag bildeten sich in manchen Städten Warteschlangen. Anhänger des in Lagerhaft gestorbenen Nawalny hatten dazu aufgerufen, in Russlands unterschiedlichen Zeitzonen jeweils um 12.00 Uhr wählen zu gehen und damit ein unverfängliches Protestzeichen zu setzen. Das Bürgerrechtsportal OVD-Info zählte landesweit 47 Festnahmen im Zusammenhang mit der Wahl. Die Behörden hatten vor Protesten gewarnt und mit einem harten Durchgreifen gedroht.

Putins offizielle Gegenkandidaten waren der Kommunist Nikolai Charitonow, Leonid Slusky, Chef der nationalistischen Liberaldemokratischen Partei, und Wladislaw Dawankow von der Neuen Volkspartei. Zwei weitere Kandidaten - die Kriegsgegner Boris Nadeschdin and Jekaterina Dunsowa - waren von der Wahlkommission ausgeschlossen worden. Der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin, dessen Aufstand im Juni 2023 Umsturz-Erwartungen geschürt hatte, starb im August bei einem Flugzeugabsturz. Der frühere Milizenführer Igor Girkin alias Strelkow sitzt in Haft, der Ex-Ölmagnat Michail Chodorkowski lebt im britischen Exil.

Offen ist, ob Putin sein Personal neu aufstellt. Er stützt sich seit Jahrzehnten auf loyale Gefolgsleute, von denen mehrere ebenfalls den Sicherheitsbehörden entstammen und in seinem Alter sind. Dazu zählen Verteidigungsminister Sergej Schoigu (68), an dem Putin trotz militärischer Rückschläge in der Ukraine festhielt, Sicherheitsrats-Sekretär Nikolai Patruschew (72) und der Chef des Geheimdiensts FSB, Alexander Bortnikow (72). Zu Putins engerem Kreis zählt auch Außenminister Sergej Lawrow (73). Jüngere Spitzenpolitiker sind der Vize-Chef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew (58), Ministerpräsident Michail Mischustin (58) und der Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin (60).

AUCH AUF DER KRIM WURDE GEWÄHLT

Gewählt wurde auch in den russisch besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine, einschließlich der Halbinsel Krim, die Putin schon 2014 völkerrechtswidrig annektierte. Im Zuge des am 24. Februar 2022 begonnenen Angriffskriegs hat Russland vier ukrainische Gebiete ebenso annektiert - Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk. Russische Truppen haben diese Gebiete aber nach wie vor nicht vollständig unter Kontrolle. Die ukrainische Regierung nennt die Wahlen in den Gebieten illegal.

Seit eine Eroberung der Hauptstadt Kiew und weiterer Gebiete scheiterte, versucht Putin, die kleinere Ukraine zu zermürben. Eine befohlene "Teilmobilisierung" war aber unpopulär und löste eine Massenflucht aus. Die Militärausgaben zehren bereits 40 Prozent des Staatsbudgets auf. Trotz westlicher Sanktionen zeigt sich Russlands Wirtschaft aber unerwartet robust. Seit die Devisenquelle der Gas- und Ölexporte in den Westen weitgehend versiegt ist, forciert Russland Rohstoff-Lieferungen nach Indien und China. Mächtigster Partner ist Chinas Staatschef Xi Jinping.

(Bericht aus den Reuters-Büros. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)