BRÜSSEL (AFP)--Einer der Hauptverdächtigen im Korruptionsskandal um das EU-Parlament, Pier Antonio Panzeri, will umfangreich aussagen und mit den Ermittlern zusammenarbeiten. Panzeri habe eine Vereinbarung unterzeichnet, die vorsieht, dass er über "finanzielle Vereinbarungen mit Drittländern", beteiligte Personen und weitere Aspekte aussagt, teilte die belgische Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Im Gegenzug wird Panzeris Strafe reduziert. Seine Gefängnisstrafe dürfte gering ausfallen.

Nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft erwartet den Leiter einer Nichtregierungsorganisation eine Haftstrafe, eine Geldstrafe sowie die Beschlagnahmung von rund einer Million Euro. Panzeris Anwalt sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass voraussichtlich eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt werde, die nach einem Jahr auf Bewährung ausgesetzt sei. "Er wird ein Jahr in Haft verbringen, davon einen Teil mit einer elektronischen Fußfessel", sagte sein Anwalt Laurent Kennes.

Wenige Stunden vor der Ankündigung von Panzeris Bereitschaft zur Aussage hatte die belgische Staatsanwaltschaft mitgeteilt, der 67-Jährige habe seine Berufung gegen eine Entscheidung vom Dezember, dass er in Untersuchungshaft bleiben muss, zurückgezogen.

Dem belgischen Sender RTBF sagte Panzeris Anwalt am Dienstagabend, dass sein Mandant zugegeben habe, "einer der Anführer einer kriminellen Organisation gewesen zu sein", die "in Verbindung mit Katar und Marokko" gestanden habe. Der Golfstaat und Marokko wiesen bislang den Vorwurf, sie hätten versucht, mit Geldgeschenken die Politik der EU zu beeinflussen, entschieden zurück.

Panzeri sitzt derzeit neben drei weiteren Verdächtigen in Belgien in Untersuchungshaft. Ermittler fanden bei dem ehemaligen Europaabgeordneten bei einer Durchsuchung im Dezember 600.000 Euro in bar. In Italien waren auch Panzeris Frau und seine Tochter festgenommen worden. Belgien hat ihre Auslieferung beantragt.

Auch die Ex-Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, sowie ihr Lebensgefährte Francesco Giorgi sitzen in Untersuchungshaft. Den insgesamt vier Beschuldigten wird Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption vorgeworfen. Katar und Marokko, die beiden Länder, die Panzeris Anwalt nun nannte, sollen versucht haben, politische Entscheidungen der EU zu beeinflussen.

Abgesehen von diesem Fall droht der abgesetzten Ex-Vizepräsidentin in einer weiteren Angelegenheit Ärger. Dabei geht es nach Angaben der Europäischen Staatsanwaltschaft (Eppo) um den Verdacht des "Betrugs zum Schaden des EU-Haushalts" insbesondere bezüglich der Entlohnung von Parlamentsmitarbeitern.

In dem Zusammenhang hatte die Europäische Staatsanwaltschaft im Dezember beim EU-Parlament die Aufhebung der Abgeordnetenimmunität von Kaili und einer weiteren griechischen Abgeordneten, Maria Spyraki, beantragt. Weil dies bislang nur Behörden von Mitgliedsländern durften und noch nicht die erst im Juni 2021 gegründete Eppo, änderte das EU-Parlament am Dienstag seine Geschäftsordnung. Am Mittwoch soll die Änderung in Kraft treten.

Nun wird erwartet, dass EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola noch diese Woche offiziell das Verfahren zum Entzug der Abgeordnetenimmunität von Kaili und Spyraki einleitet. Am Ende des aus mehreren Schritten bestehenden Verfahrens steht eine Abstimmung des Plenums.

Derweil kündigte in Straßburg EU-Innenkommissarin Ylva Johansson vor den Abgeordneten des EU-Parlaments neue Vorschläge zur Bekämpfung von Korruption an, die sie im April vorstellen wolle. "Jetzt müssen wir die Scherben aufsammeln, jetzt müssen wir besser und stärker wieder aufbauen", sagte Johansson.

Das EU-Parlament hatte sich bereits kurz nach Bekanntwerden der Bestechungsvorwürfe für Reformen ausgesprochen. Am Montag versprach Parlamentspräsidentin Metsola Gegenmaßnahmen, nachdem sie in der vergangenen Woche erste Pläne für strengere Transparenzregeln vorgelegt hatte. Im Parlament diskutieren seitdem die Fraktionen miteinander, welche der Forderungen Metsolas sie für sinnvoll erachten.

DJG/gos

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January 17, 2023 15:57 ET (20:57 GMT)