--Notenbanker erwarten Zinserhöhungen bis Ende 2023

--Leitzins verharrt aktuell bei 0,00 bis 0,25 Prozent

--Fed will Tapering-Signal weit im Voraus senden

(NEU: Pressekonferenz von Powell, Analysten)

Von Paul Kiernan und Andreas Plecko

WASHINGTON (Dow Jones)--Die US-Währungshüter haben in neuen Projektionen signalisiert, dass die Zinssätze bis Ende 2023 steigen werden, früher als sie es im März erwartet hatten, da sich die Wirtschaft schnell von den Auswirkungen der Pandemie erholt und die Inflation steigt. Auslöser für den Kurswechsel ist eine viel stärkere wirtschaftliche Erholung und eine höhere Inflation, als die Fed noch vor wenigen Monaten erwartet hatte. "Fortschritte bei den Impfungen haben die Pandemie in den USA eingedämmt", erklärte die Fed in ihrem Statement.

Der Beschluss, den Leitzins bei 0,00 bis 0,25 Prozent zu belassen, fiel einstimmig. Ökonomen und Börsianer hatten diese Entscheidung erwartet. Der Median der Projektion zeigte, dass sie eine Anhebung des Leitzinses von nahe Null auf 0,60 Prozent bis Ende 2023 erwarten. Im März hatten sie noch erwartet, den Leitzins bis 2023 konstant zu halten.

In den aktualisierten Projektionen gaben 13 von 18 Notenbankern an, dass sie erwarten, den Leitzins bis Ende 2023 anzuheben. Sieben Währungshüter sind sogar der Ansicht, dass der Leitzins schon nächstes Jahr steigen könnte. Die Fed hat den Leitzins seit März 2020 konstant gehalten, als die Pandemie die stärkste wirtschaftliche Kontraktion seit Generationen verursachte.

Außerdem kauft die Zentralbank seit Juni 2020 monatlich Staatsanleihen und Hypothekenanleihen im Wert von mindestens 120 Milliarden Dollar, um die längerfristigen Kreditkosten niedrig zu halten und so die Erholung weiter zu unterstützen. Die Fed bekräftigte, dass sie erwartet, die Anleihekäufe fortzusetzen, bis "substanzielle weitere Fortschritte" bei der Erholung erzielt worden sind.


   Anleihekäufe hängen von Konjunkturdaten ab 

In seiner Pressekonferenz sagte Fed-Chef Jerome Powell, das Kaufprogramm hänge von der Entwicklung der konjunkturellen Daten ab. Ein Signal für eine Reduzierung der Käufe - im Jargon auch Tapering genannt - werde die Fed weit im Voraus senden, sagte Powell. Bis jetzt sei es aber noch ein weiter Weg, bis "substanzielle weitere Fortschritte" erzielt würden.

Die US-Währungshüter wollen, dass sich die Wirtschaft ihren Zielen der maximalen Beschäftigung und einer anhaltenden Inflation von 2 Prozent nähert, bevor sie die Anleihekäufe reduzieren. Sie haben erklärt, dass sie diese Ziele vollständig erreichen wollen, bevor sie die Zinssätze erhöhen.

Mit einer Ankündigung oder einer Entscheidung zum tatsächlichen Tapering rechnen Ökonomen erst in einigen Monaten, etwa im Spätsommer oder Frühherbst. Eine Gelegenheit böte insbesondere das jährliche Symposium in Jackson Hole, welches Ende August - diesmal wieder als Präsenzveranstaltung - stattfindet.

Hinter dem in Zeitlupe erfolgenden Kurswechsel in der Geldpolitik steht die Furcht der US-Währungshüter, ein weiteres "Taper Tantrum", das heißt einen starken Anstieg der Anleiherenditen wie im Jahr 2013, auszulösen.

Zum ersten Mal seit Jahren ist die Fed mit einem zweifachen Risiko konfrontiert: Strafft sie die Geldpolitik zu früh und bremst die Wirtschaft ab - oder strafft sie die Geldpolitik zu spät und sieht zu, wie die Inflation überhand nimmt. Die Fed wird erst in einigen Monaten wissen, ob der Anstieg der Inflation mehr als nur vorübergehend ist; die Lage ist eindeutig anders und prekärer, als die Zentralbank noch vor sechs Monaten angenommen hat.


   Analysten sehen Kurswechsel der Fed 

Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner vermerkte, dass die Fed noch kein klares Signal zum Tapering gegeben habe. Allerdings habe Powell eingeräumt, dass die Diskussion über das Tapering jetzt begonnen habe. Trotz der Straffung des Zeitplans für den Ausstieg setze die Fed weiterhin darauf, dass sie es doch relativ langsam angehen könne. "Dies ist nur dann realistisch, wenn sie mit ihrer Einschätzung recht hat, dass die aktuell höhere Inflation von Sonderfaktoren getrieben wird und sich im nächsten Jahr wieder beruhigt. Dieser Ausblick ist damit die große Wette der Fed", sagte Weidensteiner.

LBBW-Analyst Elmar Völker sprach indessen von einem "kleinen Paukenschlag" für die Märkte: "Die US-Notenbanker haben die wesentlichen Parameter ihrer Geldpolitik unverändert gelassen - aber die neuen Leitzinsprojektionen, die vor allem an den Finanzmärkten genau verfolgt werden, liefern doch einen kleinen Paukenschlag: im Angesicht deutlich gestiegenen Inflationsdrucks scheint eine Leitzinswende nun bereits im Jahr 2023 in Reichweite."

Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank zog ein ähnliches Fazit: "Die Fed hält an ihrer Geldpolitik fest, sie schlägt aber einen anderen Ton an. Die Märkte werden auf eine straffere Geldpolitik vorbereitet." In den kommenden Monaten werde die Notenbank deshalb einen konkreten Fahrplan vorlegen, wie der Ausstieg aus den Wertpapierkäufen zeitlich vollzogen wird. "Eines ist klar: Die Zeiten der üppigen Geldspritzen sind vorbei", meinte Gitzel.

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June 16, 2021 15:48 ET (19:48 GMT)