--Produktion im produzierenden Sektor steigt um 0,2 Prozent

--Industrieproduktion legt um 0,5 Prozent zu

--Volkswirte: Lieferketten funktionieren wieder besser

(NEU: Zusammenfassung mit Hintergrund und Kommentaren von Bankvolkswirten)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Industrie hat sich im vierten Quartal 2022 passabel geschlagen, was nach Einschätzung von Volkswirten an hohen Auftragsbeständen, besser laufenden Lieferketten und ihrer Flexibilität am Umgang mit knapper Energie liegt. Im Durchschnitt der Monate Oktober und November stagnierte die Produktion im produzierenden Sektor auf dem Niveau des dritten Quartals. Erste Stimmen bezweifeln, dass es am Jahresende zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung gekommen ist. Die schon im dritten Quartal ausgebliebene Rezession wäre damit ein weiteres Mal aufgeschoben.

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, erhöhte sich die Produktion im produzierenden Sektor gegenüber dem Vormonat um 0,2 Prozent. Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen hatten mit einem Anstieg um 0,3 Prozent gerechnet. Im Jahresvergleich sank die Produktion um 0,4 (Oktober: minus 0,2) Prozent. Der ursprünglich für September gemeldete monatliche Produktionsrückgang von 0,1 Prozent wurde auf 0,4 Prozent revidiert.

Die Industrieproduktion im engeren Sinne stieg im November um 0,5 (minus 0,6) Prozent. Die Produktion von Investitionsgütern nahm um 0,7 (plus 1,6) Prozent zu und die von Vorleistungsgütern um 1,1 (minus 2,0) Prozent. Die Produktion von Konsumgütern sank dagegen um 1,5 (minus 3,2) Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr lag die Industrieproduktion um 0,5 (0,6) Prozent höher, in energieintensiven Branchen dagegen um 12,9 Prozent niedriger.

Die Bauproduktion sank auf Monatssicht um 2,2 (plus 3,0) Prozent, die Energieproduktion erhöhte sich um 3,0 (minus 7,0) Prozent.


   LBBW: Deutschland könnte ohne Rezession durch den Winter kommen 

Volkswirte kommentierten die Produktionsdaten überwiegend positiv. "Vor ein paar Monaten musste man befürchten, dass die Industriekonjunktur angesichts einer drohenden Gasmangellage einknicken könnte", schrieb LBBW-Volkswirt Jens-Oliver Niklasch in einem Kommentar. Dass es so nicht gekommen sei, zeige die bemerkenswerte Flexibilität der Industrie, die in einem erheblichen Maße zur Senkung des Gasverbrauchs beigetragen habe. "Gemäß den aktuellen Konjunkturdaten und den Nachrichten zur Energieversorgung stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir ohne Rezession durch diesen Winter kommen."

Aus Sicht von Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen werden die hohen Auftragsbestände der Industrieunternehmen auch in den kommenden Monaten verhindern, dass die deutlich schwächere Nachfrage im vollen Umfang auf die Produktion durchschlägt. "Somit dürfte die Industrie im vierten Quartal des vergangenen Jahres dazu beigetragen haben, dass die deutsche Wirtschaft trotz aller Widrigkeiten nicht geschrumpft ist", schrieb Solveen.


   Commerzbank: BIP dürfte im ersten Quartal sinken 

In der ersten Hälfte dieses Jahres dürfte sich die Produktion Solveen zufolge aber nicht vollständig von der schwächeren Nachfrage abkoppeln können, was einer der Gründe dafür sein dürfte, dass die Wirtschaft dann leicht schrumpfen werde.

Aus Sicht von ING-Europa-Chefvolkswirt Carsten Brzeski befindet sich Deutschland weiterhin auf dem Weg in die Rezession. "Verglichen mit dem dritten Quartal deuten Einzelhandelsumsätze, Exporte und Industrieproduktion auf ein leichtes Schrumpfen der Wirtschaft hin", schrieb er und fügte mit Blick auf die Industrie hinzu: "Der frühere Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft stottert und eine Besserung ist nicht wirklich in Sicht."

Der starke Rückgang der Auftragseingänge, der Lageraufbau der vergangenen Monate, die verzögerten Auswirkungen höherer Energiepreise und mögliche Lieferkettenstörungen wegen der chinesischen Covid-Politik verdüsterten den kurzfristigen Ausblick.


   Maut-Fahrleistungsindex stützt im Dezember ab 

Destatis veröffentlicht am Freitag eine erste Schätzung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 und wird dabei voraussichtlich auch eine Tendenzaussage zum BIP des vierten Quartals machen. Auf eher schwache Produktionzahlen im letzten Monat des vergangenen Jahres deutet ein Frühindikator hin: Der Maut-Fahrleistungsindex sank um 4,9 Prozent. Das war der stärkste Rückgang seit dem Einbruch der Fahrleistung im April 2020 infolge der Corona-Pandemie.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/apo

(END) Dow Jones Newswires

January 09, 2023 03:35 ET (08:35 GMT)