Von Matt Wirz und Caitlin McCabe

NEW YORK/LONDON (Dow Jones)--Durch die Notfusion der Credit Suisse Group mit der UBS Group werden die risikoreichsten Anleihen der Krisenbank ausgelöscht. Anleger auf dem Viertel-Billionen-Dollar-Markt für ähnliche europäische Bankschuldtitel dürften verunsichert sein.

Sogenannte Additional-Tier-1-Anleihen der Credit Suisse im Volumen von rund 16 Milliarden Schweizer Franken oder etwa 16,2 Milliarden Euro werden vollständig abgeschrieben, teilte die Schweizer Finanzaufsichtsbehörde Finma in ihrer Erklärung zur Fusion am Sonntag mit. Ähnlich äußerte sich auch die Credit Suisse.


Beliebtes Anlageprodukt 

AT1-Anleihen - auch bekannt als Contingent Convertible Bonds oder CoCos - waren nach der Finanzkrise 2008 eingeführt worden, um das Bankenrisiko von den Steuerzahlern auf die Anleiheinhaber zu übertragen. Sie wurden zu einem beliebten Anlageprodukt, das Geldverwalter und Banken, darunter die Credit Suisse, ihren Kunden als relativ sichere Möglichkeit zur Steigerung der Rendite von Anleihenportfolios anpriesen.

"Schockierend ist, dass es so aussieht, als würden sich die Inhaber von Aktien besser erholen als die Inhaber von Tier-1-Anleihen", sagte Justin D'Ercole, Mitbegründer von ISO-mts Capital Management, einem Fonds, der sich auf Bankpapiere konzentriert. Die aus der Vollabschreibung resultierenden Verluste werden private und institutionelle Anleger wahrscheinlich dazu veranlassen, ähnliche Wertpapiere anderer europäischer Banken zu verkaufen, sagte D'Ercole.


CoCo-Bonds der Deutschen Bank unter Druck 

In der vergangenen Woche gab es auf AT1-Markt bereits Anzeichen von Stress. Die 6-prozentige AT1-Anleihe der Deutschen Bank im Nennwert von 1,25 Milliarden Dollar verlor 10 Prozent und notierte bei etwa 79 Prozent, so Advantage Data Inc. Die 7-prozentige UBS-Anleihe über 2,5 Milliarden Dollar gab laut Marketaxess um etwa 5 Prozent auf 95,50 Prozent nach.

Nach Angaben von Lazard Frères Gestion sind AT1-Anleihen im Nennwert von etwa 254 Milliarden Dollar im Umlauf, und aufgrund ihres großen Volumens sind diese Wertpapiere häufig die am aktivsten gehandelten Bankanleihen. AT1-Anleihen werden auch deshalb höher verzinst als herkömmliche Schuldtitel, weil sie in Aktien umgewandelt oder abgeschrieben werden können, um bei einer Bank in Krisenzeiten die Verbindlichkeiten zu reduzieren.


Höhere Renditen lockten 

Die höheren Renditen zogen angesichts lange Zeit niedriger Benchmark-Zinsen im vergangenen Jahrzehnt zunehmend Käufer an und drückten die Returns der meisten anderen Anleihen. "Der CoCo-Markt bietet eine Rendite von rund 3,62 Prozent", schrieben die Portfoliomanager der Anlageabteilung der Credit Suisse in einem Bericht vom Januar 2021. "Selbst europäische Hochzinsanleihen liegen bei etwa 2,88 Prozent, so dass wir in nachrangigen Finanzanleihen durchaus noch Wert sehen."

Die Nachfrage war im August 2020 so groß, dass die Credit Suisse, als sie im August 2020 eine AT1-Anleihe im Wert von 1,5 Milliarden Dollar mit einem Zinssatz von 5,625 Prozent auflegte, mehr Aufträge erhielt, als sie Titel hatte, und deshalb den Zinssatz auf 5,25 Prozent herunterhandeln konnte, so Creditsights.


Ernstfall in Spanien 2017 

Wie CoCo-Anleihen im Krisenfall wirken, ließ sich 2017 am Beispiel der spanischen Banco Popular Español studieren. Als diese durch eine Fusion mit Banco Santander gerettet wurde, verloren die Anleiheinhaber alles. Die Umstrukturierung wurde jedoch als Einzelfall gewertet. "Eine durchschnittliche europäische Bank müsste fast zwei Drittel ihres Kapitals verlieren, um die vertraglichen Auslöser zu verletzen", so die Fondsmanager der Credit Suisse in ihrem Marketingbericht 2021. "Unserer Ansicht nach ist dies ein relativ unwahrscheinliches Szenario."

Laut einem Bericht der De Nederlandsche Bank aus dem Jahr 2017 wird der Großteil der Anleihen von Versicherern und Pensionskassen gehalten oder über Investmentfonds an Privatanleger außerhalb Europas verkauft. Europäische Anleger können sie auch indirekt über internationale Fonds kaufen, so der Bericht.

Invesco hat 2018 einen börsengehandelten Fonds mit Schwerpunkt auf AT1-Anleihen aufgelegt, der laut Daten von Morningstar auf ein Volumen von rund 1,2 Milliarden Dollar angewachsen ist. Ende Januar waren AT1-Anleihen der Deutschen Bank und der UBS laut Morningstar die beiden größten Anlagen in einem auf Vorzugspapiere spezialisierten Investmentfonds von Nuveen Asset Management im Wert von 4,5 Milliarden Dollar.

Die vollständige Abschreibung von Credit Suisse, einem der größten Emittenten auf dem AT1-Markt, wird nach Ansicht von Fondsmanagern wahrscheinlich den Appetit der Anleger auf diese Anleihen beeinträchtigen. Dies wird auch die Kreditvergabe der Banken einschränken, glauben sie. Denn die Ausgabe von AT1-Anleihen wird für Banken teurer werden, was ihre Fähigkeit, neue Kredite zu vergeben, einschränkt, sagt Fondsexperte D'Ercole. "Das bedeutet, dass die Banken wahrscheinlich kleinere Bilanzen führen müssen."

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DJG/DJN/rio/smh

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March 20, 2023 03:48 ET (07:48 GMT)