HAMBURG (dpa-AFX) - Als Günther Fielmann 1972 an der Nordsee in Cuxhaven seine erste Optikerfiliale eröffnete, erntete er Hohn und Spott: "König der Kassenbrillen" war nur eines der vielen Attribute, die ihm von den bisherigen Platzhirschen angedichtet wurden. Doch die Kunden strömten zu Fielmann - Kein Wunder, denn der Emporkömmling lockte mit attraktiven Preisen unter Ausschaltung des Zwischenhandels. Inzwischen hat Sohn Marc das Ruder übernommen. Anleger können sich freuen: Seit dem Börsengang 1994 haben die Aktien ordentlich zugelegt, auch wenn sie zuletzt heftig schwankten. Nun aber könnte eine Übernahme neue Impulse liefern. Was bei Fielmann los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI FIELMANN:

Die Corona-Pandemie hat auch vor Fielmann nicht halt gemacht. Umsatz und Gewinn gingen im vergangenen Jahr deutlich zurück. Dabei machte der Optikerkette vor allem die erste Welle im Frühjahr 2020 zu schaffen: Filialen mussten wochenlang schließen, Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen.

Das Bild hellte sich jedoch schnell wieder auf. Dank Maßnahmen wie etwa Terminvereinbarungen und digitales Zeitmanagement sieht sich Fielmann inzwischen weniger beeinträchtigt als zu Beginn der Pandemie. Und so konnte das Unternehmen seine - bereits einmal erhöhte - Prognose im vergangenen Jahr sogar übertreffen. Zudem zeigte sich das Management zuversichtlich für das neue Jahr. Ende April will Fielmann Details zu 2020, das erste Quartal sowie zum Ausblick nennen.

Dazu hat Fielmann mitten in der Pandemie zugekauft. Mit der Übernahme von 80 Prozent an der drittgrößten spanischen Optikerkette Optica & Audiologia Universitaria treibt das Unternehmen seine Internationalisierung voran. Spanien gilt dabei als attraktives Pflaster - es ist der viertgrößte Markt auf dem europäischen Kontinent. 2019 erzielte Optica & Audiologia Universitaria einen Umsatz von 100 Millionen Euro. Mittelfristig traut Fielmann den Spaniern, die derzeit über 80 Filialen verfügen, 250 Millionen Euro zu. Damit erschließt sich Fielmann den 15. europäischen Markt.

Zudem treibt Fielmann die Digitalisierung voran. Dazu hat sich die Venture-Kapital-Tochter im vergangenen Jahr etwa an einer Finanzierung des Datenbrillen-Softwareanbieters Ubimax beteiligt und dadurch 10 Prozent der Gesellschaft übernommen. Sonnenbrillen, Kontaktlinsen und Pflegemittel können online bestellt werden. Beim Online-Brillenverkauf hält sich Fielmann jedoch weiter zurück. Aktuelle Branchendaten zeigen, dass der Kauf einer Brille in Deutschland weiter vor allem ein Geschäft "vor Ort" ist.

Im Anfang April veröffentlichten Bericht des Branchenverbandes ZVA heißt es, dass aktuell lediglich 1,7 Prozent aller Käufe komplett online abgewickelt würden. Gut 89 Prozent hingegen rein stationär. Dabei setzen auch vormals reine Online-Unternehmen wie etwa Mr. Spex verstärkt auf Partner-Optikerbetriebe vor Ort. Mit dem stetigen Ausbau seines Geschäfts für Hörgeräte verbreitert Fielmann zudem sein Angebot.

WAS ANALYSTEN SAGEN:

Die Corona-Krise traf natürlich auch Fielmann, wie Analyst Thomas Maul von der DZ Bank betonte. Der Experte hob hervor, dass das Vorsteuerergebnis im abgelaufenen Jahr um rund ein Drittel zurückgegangen war.

Christian Salis von der Privatbank Hauck & Aufhäuser bemerkte jedoch, dass die Optikerkette insgesamt vielversprechend abgeschnitten habe. Die Resultate unterstrichen den nicht-zyklischen Charakter des Geschäftsmodells. Das Fazit von Analyst Volker Bosse von der Baader Bank lautete: "Die Corona-Krise hat die steigende Nachfragen nach den Brillen und Hörgeräten von Fielmann nicht ausgebremst."

Der Experte Craig Abbott vom Analysehaus Kepler Cheuvreux lobt die Übernahme der drittgrößten Optikerkette Spaniens zu einem vernünftigen Preis. Dies sei der nächste Schritt in den Wachstumsambitionen bis 2025. Und auch der Experte Thilo Kleibauer vom Analysehaus Warburg Research hebt hervor, dass Fielmann in den kommenden Jahren stark wachsen dürfte.

Generell gibt Analyst Jürgen Graf von der Landesbank Baden-Württemberg zu bedenken, dass in einzelnen Märkten bereits Sättigungstendenzen zu beobachten seien. Zudem etabliere sich bereits die Online-Konkurrenz. Allerdings investiere auch Fielmann bereits stark in elektronische Vertriebswege.

Alles in allem bewerten die Experten das Potenzial der Fielmann-Aktien positiv. Von den elf seit Anfang Januar von der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX und der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten Experten raten acht zum Kauf der Papiere, drei empfehlen den Anlegern, erst einmal abzuwarten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 76 Euro.

WAS DIE AKTIE MACHT:

Anfang des Jahrtausends taten sich die Aktien von Fielmann noch schwer. Nachdem die Papiere zunächst um die runde Marke von 10 Euro pendelten, rutschten sie bis März 2003 unter die Marke von 7 Euro ab. Von da an aber ging es für die Anteilsscheine erst einmal kontinuierlich nach oben.

Im Sommer 2005 sprangen die Fielmann-Aktien über die Schwelle von 15 Euro und schon knapp ein Jahr später wurden die 20 Euro erstmals touchiert. Anfang 2010 kosteten dann die Papiere der Optikerkette erstmals mehr als 30 Euro. Und so ging es weiter, bis auf das Rekordhoch von 77,70 Euro im Oktober 2017.

Seitdem aber agieren die Anleger deutlich nervöser. So forderte das allgemein schlechte Börsenjahr 2018 auch von den Fielmann-Anlegern seinen Tribut: Die Aktien sackten ab und rutschten im September des genannten Jahres wieder unter 50 Euro.

In dem guten Börsenjahr 2019 konnten sich auch die Fielmann-Papiere erholen und bis Februar 2020 auf gut 76 Euro vorarbeiten - Doch dann kam Corona. Die Anteilsscheine fielen wie ein Stein und fanden im März erst bei knapp 42 Euro Halt. Es war der tiefste Stand seit Anfang 2014. Doch auch auf diesen Schock folgte eine Gegenbewegung.

Seit Mitte Februar allerdings hat der Schwung mal wieder etwas nachgelassen. Gleichwohl notieren die Papiere aktuell mit rund 69 Euro wieder über den 21- und 100-Tage-Durchschnittslinien, welche die kurz- beziehungsweise mittelfristigen Trend beschreiben. Für charttechnisch interessierte Anleger ist dies erst einmal eine beruhigende Nachricht.

Trotz der jüngsten Erholung schnitt das Fielmann-Papier seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie schlecht ab. Seit Ende 2019 gab die Aktie rund vier Prozent nach, während der SDax seitdem um ein Viertel zulegte. Auch auf die Sicht von fünf und zehn Jahren schnitten die Fielmann-Anteile mit einem Anstieg von zwei beziehungsweise 100 Prozent schlechter ab als der Index.

Das Bild wandelt sich erst beim Blick auf die vergangenen 20 Jahre. Hier liegt das Plus der Fielmann-Aktie mit 555 Prozent über dem des SDax. Mit einem Börsenwert von knapp 5,8 Milliarden Euro liegt Fielmann in der Spitzengruppe des Nebenwerte-Index SDax, in den sie Ende 2019 abgestiegen waren.

Mit dieser Marktkapitalisierung würde im MDax für einen Platz im Mittelfeld reichen, allerdings berücksichtigt die Deutsche Börse lediglich den Börsenwert auf Basis des Streubesitzes als ein Kriterium für die Index-Zugehörigkeit. Dieser Anteil der frei handelbaren Aktien ist bei Fielmann aber eher gering, da die Familie Fielmann den Großteil der Aktien kontrolliert./la/nas/mis/zb