- von Alexander Hübner und Christian Kraemer

New York/München (Reuters) - Das hessische Familienunternehmen Viessmann steht offenbar vor einem milliardenschweren Verkauf in die USA.

Der Klimaanlagen-Hersteller Carrier Global aus Florida befinde sich in fortgeschrittenen Verhandlungen über eine Übernahme des Spezialisten für Heizungen, Klimageräte und Wärmepumpen aus Allendorf an der Eder, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Viessmann werde dabei mit mehr als zwölf Milliarden Dollar (umgerechnet elf Milliarden Euro) einschließlich Schulden bewertet. Die kleine Kühltechnik-Sparte bleibe außen vor. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Dienstag, die Bundesregierung müsse den Grund für die Übernahme genau analysieren. Produkte von Viessmann spielen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) favorisiert Wärmepumpen, wenn es um die Heizung von Wohnungen geht, nachdem die Energiewende nach seinen Vorstellungen das Aus für Gas- und Öl-Heizungen bringen soll. Vom nächsten Jahr an soll der Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen forciert werden. Die Umsetzung ist aber in der Ampel-Koalition umstritten. Lindner warnte bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsforums der SPD, es dürfe keine Fixierung nur auf eine Technologie geben. Man müsse dabei auch an die Anpassungsfähigkeit der Firmen denken. Sie müssten bei der Gesetzgebung mitkommen. "Denn ein Gesetz ist schneller geändert als eine Produktionsstraße."

Viessmann hatte wegen der rasant steigenden Nachfrage seit Monaten versucht, die Investitionen für den Hochlauf der Wärmepumpen-Produktion zu stemmen. Dafür sei eine Milliarde Euro nötig. "Zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten müssen zusätzlich finanziert werden", hatte das Unternehmen im Februar erklärt. Viessmann prüfe dazu verschiedene Möglichkeiten, etwa die Begebung einer Anleihe oder einen EU-Kredit. Nun suchen die Familieneigentümer, deren Vermögen das "Manager Magazin" zuletzt auf vier Milliarden Euro schätzte, offenbar in einem Verkauf des Kerngeschäfts ihr Heil.

Die Transaktion, über die das "Wall Street Journal" (WSJ) zuerst berichtet hatte, könnte noch in dieser Woche offiziell werden. Einem Insider zufolge bekommt die Familie den Kaufpreis zum Teil in Aktien, zum Teil in bar. Viessmann wollte sich zu den Informationen nicht äußern.

Carrier war 2020 entstanden, als der Mischkonzern United Technologies sich in drei Unternehmen für Flugzeugtechnik (Raytheon), Aufzüge (Otis) und Klimatechnik aufspaltete. Mit der Übernahme will Carrier sein Geschäft internationalisieren. Von 20,4 Milliarden Dollar Umsatz kommen bisher 60 Prozent aus Nord- und Südamerika und nur 23 Prozent aus Europa.

Am Dienstag erholte sich die Carrier-Aktie an der New Yorker Börse leicht; am Montag hatte sie nach Bekanntwerden der Pläne mehr als sieben Prozent verloren. Damit ist Carrier aber immer noch 35 Milliarden Dollar wert.

Politiker der Ampel-Koalition forderten bei einem Verkauf von Viessmann Arbeitsplatz- und Standortgarantien. "Wichtig ist, dass durch das Investment der Standort Deutschland erhalten bleibt", sagte die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz. In Regierungskreisen hieß es, der Wärmepumpen-Markt sei so attraktiv, dass er Investitionen anziehe. Die Regierung werde darauf achten, dass die Energiepolitik und die Gewinne daraus Deutschland als Standort zugute kämen. Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagt, die Fehler beim Aufbau der Solarindustrie dürften sich nicht wiederholen. Sie war größtenteils nach China abgewandert, nachdem die Subventionen in Deutschland wegfielen. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich nicht zu Viessmann äußern.

Das 1917 von Johann Viessmann gegründete Unternehmen hat im vergangenen Jahr den Umsatz nach eigenen Angaben um 19 Prozent auf vier Milliarden Euro gesteigert, gut die Hälfte davon wurde im Ausland erwirtschaftet. Rund 85 Prozent des Umsatzes stammen aus der Klimatechnik, zehn Prozent aus der Kühltechnik etwa für Supermärkte oder Krankenhäuser. Sowohl der Vorstandsvorsitz (Max Viessmann) als auch der Verwaltungsrats-Chefposten (Martin Viessmann) sind in Familienhand. Viessmann beschäftigt 14.500 Mitarbeiter.

(Bericht von Alexander Hübner, Anirban Sen und Christian Krämer; Redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)