BERLIN/MAGDEBURG/HANNOVER (dpa-AFX) - Bundesregierung, Kohle-Länder und Kraftwerksbetreiber wollen in schwierigen Verhandlungen wichtige Weichen zum geplanten Kohleausstieg stellen. Dabei geht es auch um milliardenschwere Entschädigungen für Konzerne, wenn diese Kraftwerke vorzeitig abschalten. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff mahnte, dafür nicht zu viel Geld auszugeben: "Wir brauchen das Geld für neue Arbeitsplätze", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Zudem seien Investitionen in Zukunftsfelder wie Wasserstofftechnologie, Elektromobilität und Künstliche Intelligenz nötig, sagte Haseloff. "Mit diesen Geldern stattdessen jetzt größtenteils die Abfindungen für die Energiekonzerne zu bezahlen, die ihre Kraftwerke früher abschalten, dafür ist das Geld zu schade."

Die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Betreibern von Braunkohlekraftwerken dauerten am Dienstag an. Dabei sind Milliardensummen im Gespräch. Am Mittwochabend werden die Ministerpräsidenten der Kohle-Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zu einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt erwartet.

Deutschland will bis 2038 schrittweise aus der klimaschädlichen Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung aussteigen. So hatte es eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission aus Wirtschaftsvertretern, Gewerkschaftern und Umweltschützern vor fast einem Jahr beschlossen. Eigentlich wäre erst in den späten 40er Jahren Schluss gewesen.

Die Kommission hatte als Fahrplan vorgegeben, erst die älteren Steinkohlekraftwerke und zuletzt die neueren Braunkohlekraftwerke vom Netz zu nehmen. Für das Mitteldeutsche Revier im Süden Sachsen-Anhalts sowie im Raum Leipzig bedeutet das, dass die beiden Kraftwerke der Region mit als letzte vom Netz gehen sollten.

Haseloff pochte nun darauf, dies einzuhalten. "Das größte Problem ist, dass der Konzern Uniper an drei Stellen versucht, seine eigenen Interessen durchzudrücken und damit den Kohlekompromiss zu durchlöchern", sagte er. Dabei gehe es um das bisher nicht angeschlossene Datteln 4 im Kohle-Land Nordrhein-Westfalen. Das Steinkohlekraftwerk soll neu ans Netz gehen.

Im Gegenzug bot Uniper als Mehrheitseigentümer an, das Kraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt schon 2026 statt 2038 vom Netz zu nehmen und sich dafür entschädigen zu lassen. "Im Anschluss muss es ja eine alternative Energieerzeugung geben, da ist derzeit ein Gaskraftwerk im Gespräch, das sich wiederum aber auch nur mit Subventionen aufbauen und betreiben lässt", sagte Haseloff.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, es werde Zeit, dass sich das Kanzleramt in die Verhandlungen mit den Braunkohlefirmen einschalte und Peter Altmaier an die Leine nehme. "Beim Wirtschaftsminister gilt ganz offensichtlich, was lange währt, wird gar nicht gut. Bei RWE dürften die Champagnerkorken geknallt haben, weil Altmaier dem Konzern für abgeschriebene Uralt-Braunkohlekraftwerke aus den 60er Jahren noch 2 Milliarden Euro schenken will." Altmaier gefährde den mühsam ausgehandelten Kohleausstieg massiv durch seine fragwürdigen Geschenke auf Steuerzahlerkosten.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) mahnte die Bundesregierung zu einer schlüssigeren Strategie beim Ökostrom-Ausbau. Angesichts des Atom- und Kohleausstiegs bleibe nicht mehr viel Zeit, um Pläne für eine sichere Energieversorgung zu entwickeln, sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis am Montagabend in Hannover. Er war Mitglied der Kohlekommission. "Ich habe den Eindruck, dass vor allem Abschaltpläne diskutiert werden. Meine Forderung ist, einen Einschaltplan vorzulegen."

Der IG-BCE-Vorsitzende bezog sich damit auch auf den stockenden Ausbau bei erneuerbaren Energien - vor allem bei der Windkraft an Land erschweren Regulierungen, umstrittene Abstandsregeln und Akzeptanzprobleme eine stärkere Nutzung. "Abschalten ist kein großes Problem - wenn gleichzeitig eingeschaltet wird", sagte Vassiliadis. Dass hierzu bei schrittweise wegfallendem Atom- und Kohlestrom Konzepte für eine hinreichende Versorgung vorlägen, könne er "im Moment noch nicht greifen". Der IG-BCE-Chef hatte schon nach dem Beschluss des Klimapakets betont, dass weitere Klärungen zur Neugestaltung der Energiewende nötig seien./hnl/DP/jha