BERLIN (dpa-AFX) - Bei Notfällen sollen Patienten künftig besser in die passende Versorgung gelotst werden - und seltener in überfüllten Rettungsstellen von Kliniken warten. Darauf zielen Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der nun einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt hat. "Die Bürger müssen sich im Notfall darauf verlassen können, dass sie schnell und gut versorgt werden", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post" (Donnerstag).

Vorgesehen ist zum einen ein gemeinsames telefonisches Leitsystem, für das die Rettungsleitstellen mit der Notrufnummer 112 und der ärztliche Bereitschaftsdienst mit der Nummer 116 117 zusammenarbeiten sollen. Zudem sollen in Kliniken zentrale Anlaufstellen je nach Dringlichkeit des Anliegens über die passende Behandlung entscheiden.

Der Entwurf, der auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sieht einige Änderungen im Vergleich zu ersten Plänen aus dem Sommer vor. So sollen die Länder die Zuständigkeit für die Organisation des Rettungsdienstes behalten. Damit soll eine zunächst für die Reform ins Auge gefasste Grundgesetzänderung nicht mehr nötig sein. Zudem sind keine gemeinsamen Leitstellen der Nummern 112 und 116 117 mehr vorgesehen - aber eine verbindliche, digital vernetzte Kooperation.

Hintergrund ist, dass nicht nur in großen Städten mehr und mehr Patienten direkt in Notaufnahmen gehen, statt zum Beispiel zu einem Bereitschaftsarzt - obwohl sie längst nicht immer in akuter Not sind. Wie es aus dem Ministerium heißt, fällt nach Studiendaten mehr als die Hälfte der Patienten in Notaufnahmen eigentlich nicht unter die Definition eines medizinischen Notfalls. Auch bei Fahrten von Rettungswagen handelt es sich teils nicht um Notfallpatienten. Die Reform zielt deswegen auf eine stärkere Verzahnung und Steuerung.

WENN PATIENTEN ANRUFEN, sollen sie künftig sowohl unter der 112 als auch der 116 117 eine erste Einschätzung bekommen und in die passende Versorgungsebene geschickt werden: ins Krankenhaus, eine Bereitschaftspraxis oder auch in eine ganz normale Sprechstunde am nächsten Morgen. Medizinische Notfalldaten sollen künftig digital erfasst und in Echtzeit für die weitere Versorgung übertragen werden.

WENN PATIENTEN INS KRANKENHAUS GEHEN, soll es an bestimmten Kliniken "integrierte Notfallzentren" geben - nicht nur als Option, wie schon in manchen Krankenhäusern praktiziert. Dort arbeiten rund um die Uhr Bereitschaftsärzte und Klinikärzte mit einem zentralen Empfang, der jeweils über die passende Behandlung entscheidet.

Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken hatte bereits ein Konzept beschlossen, wonach es künftig voraussichtlich weniger Krankenhäuser geben dürfte, die für Notfälle eingerichtet sind - sie sollen dafür aber eine angemessene Betreuung garantieren. Von 1748 Häusern sollen demnach noch 1120 entsprechende Zuschläge bekommen, es könnten also 628 Krankenhäuser herausfallen.

In Kraft treten sollen die Neuregelungen voraussichtlich Anfang 2020. Dann sollen die Beteiligten des Gesundheitswesens aber noch weitere Zeit für Vorbereitungen bekommen. Die konkrete Umsetzung würde dann also schrittweise später folgen. SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas sagte dem "Handelsblatt", der Entwurf gehe im Sinne der Patienten in die richtige Richtung hin zu mehr Verzahnung und Koordinierung.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßte die Pläne und sprach von "vielen richtigen Schritte hin zu einer zukunftsfähigen Notfallversorgung". Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft kam scharfe Kritik mit Blick darauf, dass ambulante Notfallleistungen nur an ausgewählten Krankenhäusern erbracht werden sollen. Bei der Entscheidung, welche Kliniken das in den Regionen sind, hätten die Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen die Mehrheit./sam/DP/stw