FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 6. Januar 2016. Die Profis reagieren auf die Kursschwankungen mit deutlichem Optimismus - aus der Not heraus, glaubt Goldberg.

Als ob man um Punkt null Uhr einen Schalter umgelegt hätte, meldete sich die Krise an den chinesischen Aktienbörsen zum Jahreswechsel prompt zurück. Dabei sei es nun dahingestellt, ob die Ursache dafür tatsächlich in enttäuschend ausgefallenen Wirtschaftsdaten zu finden ist. Aber auch das drohende, hinlänglich bekannte Auslaufen des Aktienverkaufsverbots für Großaktionäre börsennotierter Unternehmen am 8. Januar hätte per se nicht zwingend zu einem derartig massiven Abverkauf chinesischer Aktien führen müssen.

Dass sich auch die europäischen Börsen und damit auch der DAX diesem Trend nicht entziehen konnten, ist jedoch nicht nur der Entwicklung chinesischer Aktien oder einer weiteren Abwertungswelle der dortigen Währung geschuldet. Denn man darf nicht vergessen, dass die Stimmung bei den hiesigen Börsianern bei unserer letzten Erhebung des Jahres 2015 selbst gemessen an einem Halbjahresmittel des Börse Frankfurt Sentiment-Index von 27 Zählern ausgesprochen optimistisch ausgefallen war. Alleine aus dieser Sicht wären spätestens Anfang des neuen Jahres Aktienverkäufe angesagt gewesen.

Dennoch haben sich die institutionellen, mittelfristig orientierten Investoren nicht von ihren Engagements getrennt. Denn deren Optimismus hat sich gegenüber der letzten Befragung des Jahres 2015, gemessen am Börse Frankfurt Sentiment-Index, nicht verändert. Dieser liegt nach wie vor bei einem Wert von +49 Punkten. Hinter dieser Zahl verbirgt sich jedoch eine noch stärkere Polarisierung zwischen Bullen und Bären, während die Gruppe der neutral gestimmten Akteure mit einem Anteil von 9 Prozent so klein wie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2003 nicht mehr geraten ist. Gleichzeitig ergibt sich somit für die Gruppe der Optimisten ebenfalls ein Rekordhoch mit einem Anteil von 70 Prozent aller Befragten.

Privatanleger nehmen Gewinne mit

Völlig konträr gestaltet sich hingegen die Stimmungslage bei den Privatanlegern, bei denen es zu den erwarteten Aktienverkäufen gekommen ist. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bricht mit der heutigen Befragung deutlich ein und liegt mit einem Stand von +27 Punkten - die letzte Befragung des Vorjahres hatte noch einen Wert von +51 Punkte ergeben - deutlich niedriger als noch zu Jahresende. Dabei kam es teils zu Gewinnmitnahmen, aber auch zu neuen bearishen Positionierungen in nicht unbeträchtlichem Maße.

Mit der heutigen Erhebung wird deutlich, dass die institutionellen Akteure die Gemengelage am Aktienmarkt ganz anders einschätzen als ihre privaten Pendants. So scheinen diese die derzeitige Entwicklung an den chinesischen Börsen, aber auch die Entwicklung der globalen ökonomischen Situation wesentlich skeptischer zu sehen. Gemessen am Sentiment-Mittelwert im zweiten Halbjahr 2015 von +30 Punkten könnte man sogar von einem leichten relativen Pessimismus sprechen.

Diese Meinung scheinen die institutionellen Marktteilnehmer jedoch nicht zu teilen. Aber nur auf den ersten Blick, denn deren Engagements befinden sich nach dem Jahreswechsel bewertungstechnisch unter Wasser. Häufig werden die Referenzpunkte der bestehenden Positionen zum Bilanzstichtag auf den Schlusskurs des Vorjahres bei rund 10.740 Zähler gesetzt, was heute mental nicht unerheblichen Buchverlusten gleichkommt. Und diese möchte man nicht realisieren.

Damit bleibt die Lage für den DAX nach wie vor belastend. Zwar muss es nicht zu einer sofortigen Verkaufswelle kommen. Doch bleibt die Oberseite in der Nähe des Vorjahresschlusskurses limitiert, während die heimischen Investoren einem weiteren Abgabedruck - etwa aus internationalen Quellen, die bereits zu Jahresbeginn aktiv gewesen sein könnten - nicht viel entgegenzusetzen hätten.

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

© 6. Januar 2016.

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)