Frankfurt (Reuters) - Die in Europa grassierende Welle der Corona-Pandemie und weitere mögliche Lockdwons haben den Anlegern am Freitag die Kauflaune verdorben.

Der Dax lag am Freitagnachmittag 0,47 Prozent im Minus bei 16144 Punkten. Am Donnerstag hatte der Leitindex noch ein neues Rekordhoch bei 16.290 Zählern markiert, war dann aber ins Minus gedreht.

In Österreich gilt ab Montag für bis zu 20 Tage ein Lockdown. In Deutschland fordern Mediziner eine schnelle Umsetzung der von Bund und Ländern getroffenen Beschlüsse. In Bayern warnten Krankenhäuser vor einer unmittelbar drohenden Überlastung der Intensivstationen und forderten härtere Kontaktbeschränkungen. Der Verband der Intensivmediziner zweifelte, ob die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen ausreichen werden.

"Ein kompletter Lockdown in Deutschland wäre ein sehr schlechte Nachricht für die wirtschaftliche Erholung", urteilte Ludovic Colin, Fondsmanager bei Vontobel. Thomas Mathews, Volkswirt bei Capital Economics, sagte, noch seien die Auswirkungen auf die Märkte nicht so verheerend wie bei der ersten Corona-Welle. "Wenn sich die Lage jedoch verschlimmert und ein großer Teil der Wirtschaft lahmgelegt wird, könnte dies die regionalen Aktienmärkte in Mitleidenschaft ziehen."

Ein weiteres Thema, das den Markt umtreibt, ist die steigende Inflation. EZB-Chefin Christine Lagarde erteilte einer Zinswende im kommenden Jahr trotz der derzeit erhöhten Inflation erneut eine Absage. Für die EZB gelte es jetzt, ihre Geldpolitik "geduldig und beharrlich" fortzusetzen, sagte Lagarde. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing forderte die EZB auf, schneller gegen den Inflationsschub vorzugehen. Die Dauer der höheren Inflation werde unterschätzt, sagte er auf dem European Banking Congress in Frankfurt. Die Aussagen Lagardes versetzten dem Euro einen Dämpfer, denn Händler setzen darauf, dass die Zinsen in den USA schneller steigen werden als in der Eurozone. Die Gemeinschaftswährung lag am Nachmittag bei 1,1294 Dollar, ein Minus von 0,7 Prozent.

VANTAGE TOWER GEFRAGT - HERMES EN VOGUE

Angesichts der gedrückten Börsenstimmung gerieten im Dax und MDax vor allem konjunkturabhängige Werte stärker unter Druck. So fielen die Aktien der Deutschen Bank um 4,7 Prozent, Commerzbank rutschten um 4,2 Prozent. Auch Autowerte büßten deutlich ein: Volkswagen um 2,7 Prozent, Porsche um 2,6 Prozent. Auch Aktien aus dem Reisesektor ließen angesichts der steigenden Infektionszahlen Federn, Lufhansa und Fraport gaben jeweils rund 4,5 Prozent nach, in London rutschten die Aktien der Fluggesellschaft IAG um 5,5 Prozent, in Paris verloren Air France/KLM gut drei Prozent.

Die Aktien von Vantage Towers zählten mit einem Plus von 2,7 Prozent zu den größten MDax-Gewinnern. Am Vorabend hatte sich Deutsche-Telekom-Chef Timotheus Höttges bereit gezeigt für einen Verkauf seines Funkturm-Geschäfts. Als potenzielle Käufer oder Partner für die Telekom-Tochter werden die seit März börsennotierte Vodafone-Funkturmtochter Vantage Towers wie auch Europas Branchenprimus Cellnex gehandelt.

In Paris kletterten die Aktien des Luxusgüterkonzerns Hermes um gut drei Prozent. Bereits am Donnerstag hatten die Titel deutlich gewonnen, da am Markt über eine mögliche Aufnahme der Papiere in den Eurostoxx50 spekuliert worden war.

Mit neuen Lockdowns und schärferen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie steigen die Aktien von Essenslieferdiensten. So legen Hellofresh und Just Eat Takeaway 5,8 Prozent zu, Delivery Hero steigen um zwei Prozent und Deliveroo um 2,5 Prozent. Die "Wir bleiben zu Hause"-Story spiele sich am Markt wieder ab, sagte Andrew Gwynn von Exane BNP Paribas.