FRANKFURT (dpa-AFX) - Der deutsche Aktienmarkt steht in der neuen Woche ganz im Bann der europäischen Geldpolitik: EZB-Präsident Mario Draghi wird am Donnerstag über das Schicksal der Börsen entscheiden, zumindest auf kurze Sicht. Die Experten der Commerzbank erwarten von der Europäischen Zentralbank eine Senkung des Einlagenzinses um 0,20 Prozentpunkte auf minus 0,5 Prozent. Sie könnte zudem einen gestaffelten Zins einführen und das Volumen der monatlichen Anleihenkäufe vorübergehend anheben.

Die europäischen Notenbanker könnten es sich nicht leisten, die Märkte erneut zu enttäuschen, glauben die Experten des Analysehauses Capital Economics. Im Dezember hatte Draghi nicht das geliefert, was die Märkte erwartet hatten. Nun legte er die Latte mit seinen jüngsten Aussagen über weitere, uneingeschränkte geldpolitische Schritte wieder einmal hoch. "Draghi wird liefern müssen, weil er sich selbst in massiven Zugzwang gebracht hat", bestätigt Experte Robert Halver von der Baader Bank.

Zum Wochenstart dürfte aber erst einmal die Entwicklung in China den Takt angeben. Dort hat am Wochenende der diesjährige Volkskongress begonnen. Premier Li Keqiang kündigte dabei an, dass sich das Land mit massiven Reformen gegen die schwächere Konjunktur stemmen will. Nach dem neuen Fünf-Jahres-Plan sollen mehr Markt und weniger Staat, mehr Innovation und weniger Überkapazitäten die nötigen Triebkräfte für die zweitgrößte Volkswirtschaft freisetzen.

Zudem befinden sich am Montag erst einmal die Aktien vom weltgrößten Chemiekonzern BASF und der Commerzbank im Fokus. Bei Deutschlands zweitgrößter Bank steht die Nachfolge für den langjährigen Vorstandschef Martin Blessing fest. Es ist wie erwartet der bisherige Privatkundenvorstand Martin Ziele - die Folgen für den Kurs dürften daher überschaubar sein.

Spannender könnte es bei BASF werden. Der Konzern will sich Kreisen zufolge möglicherweise nicht kampflos vom globalen Chemiethron stürzen lassen. Um einen Zusammenschluss der beiden US-Chemieriesen Dow Chemical und Dupont zu verhindern, erwägen die Deutschen einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge seinerseits einen Vorstoß in bisher unbekannter Dimension.

BASF denke über ein Gebot für DuPont nach. Der US-Konzern kommt derzeit auf einen Börsenwert von rund 55 Milliarden Dollar (rund 50 Mrd Euro). Es wäre die bisher größte Übernahme des mehr als 150 Jahre alten deutschen Traditionsunternehmens. Bisher hatte BASF vor allem auf ergänzende Akquisitionen gesetzt und dabei maximal Beträge im einstelligen Milliadenbereich ausgegeben.

Experten stufen eine Übernahme DuPonts als durchaus sinnvoll ein, da sich BASF damit breiter aufstellen würde. Bernstein-Analyst Jeremy Redenius glaubt jedoch nicht daran, dass BASF zum Zug kommt. Der deutsche Konzern sei zu spät dran und dürfte es jetzt schwer haben, eine attraktive Offerte auf die Beine zu stellen, die mit den Vorteilen eines Zusammenschlusses zwischen Dow Chemical und DuPont konkurrieren kann.

Die Berichtssaison in Deutschland könnte ebenfalls einige Impulse parat halten. Am Dienstag legen aus dem Dax der Darmstädter Pharmakonzern Merck KGaA und der unter Druck geratene Versorger RWE Zahlen vor. Der Aromenhersteller Symrise flankiert die Börsendinos mit seinem Bericht zum vierten Quartal. Aus dem TecDax kommt der Apple-Zulieferer Dialog Semiconductor hinzu. Am Mittwoch folgen Lufthansa , Deutsche Post und Eon sowie Drägerwerk .

Am Donnerstag kommen aus dem MDax der mittelgroßen Werte die Bilanzvorlagen des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport , der Gea Group und vom Maschinenbauer DMG Mori . Auch Hannover Rück , LEG Immobilien , RTL Group und der zuletzt in Turbulenzen geratene Modekonzern Hugo Boss berichten. Der künftige Dax-Absteiger K+S und Linde sowie Telefonica Deutschland ergänzen die Riege der Geschäftsberichte. Vor dem Wochenende sind dann MAN und SAF Holland mit ihren Zahlen dran.

Konjunkturseitig werden derzeit alle frischen Daten von den Börsianern weiterhin auf ihre möglichen Auswirkungen auf die Geldpolitik der internationalen Notenbanken geprüft. Der Arbeitsmarktbericht vor dem Wochenende aus den USA ist nach einer ersten Einschätzung von Helaba-Volkswirt Ralf Umlauf insgesamt solide ausgefallen. Ob sich die Währungshüter der Fed in den USA daraufhin bereits in diesem Monat zu einer weiteren Zinserhöhung durchringen werden, gilt noch als offen. Mittelfristig dürfte an einer Straffung der US-Geldpolitik laut der Helaba aber kein Weg vorbeiführen. In der neuen Woche stehen aus Sicht der Experten keine potenziell wegweisenden Daten auf dem Plan.

Aus Deutschland werden Zahlen zu den Auftragseingängen, der Industrieproduktion und auch der Handels- und Leistungsbilanz im Januar veröffentlicht. Die Helaba erwartet auch hier keine Impulse.

Mit der Erwartung einer noch großzügigeren Gestaltung der Geldpolitik geht für Halver eine verbesserte Stimmung an den Aktienmärkten einher. Sie hätten ihren Boden gefunden auch dank der Stabilisierung beim Ölpreis. Der "Brexit", also ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der EU, bleibe ein latentes Aktienmarktrisiko. Das sorge für Nervosität und heftige Schwankungen.

Die Experten der Deutschen Bank halten zwar Kursgewinne an der Börse vor dem EZB-Treffen am Donnerstag für möglich. Fundamentale Sorgen blieben aber erhalten, hebt Mairead Smith hervor. Als Risiken nannte sie eine Verschlechterung der Kreditqualität in den USA, eine weitere Abwertung der chinesischen Landeswährung Yuan, eine schwächere Weltkonjunktur und veränderte Erwartung an das Zinserhöhungstempo in den USA sowie die noch nicht günstige Bewertung an Europas Börsen./fat/edh/he

--- Von Frederik Altmann, dpa-AFX ---