Die Ethereum-Community hatte schon ungeduldig auf das Shapella-Upgrade gewartet. Es gilt als einer der wichtigsten Entwicklungsschritte im Ethereum-Ökosystem seit der Fusion (The Merge) des Konsensmodells, das im September letzten Jahres von Proof of Work (PoW) auf Proof of Stake (PoS) umgestellt wurde.

The Merge - Ethereum
Ethereum Foundation

Zunächst einmal stellt sich die Frage, weshalb das Upgrade den Namen Shapella trägt. Etymologisch ist Shapella ein Kofferwort aus „Shanghai“ (wo das Upgrade auf der Devcon 2 im Jahr 2016 diskutiert wurde) und „Capella“, dem hellsten Stern im Sternbild Fuhrmann.

Technisch betrachtet besteht die Ethereum-Blockchain aus zwei Ebenen: der Ausführungs- und der Konsensebene. Für erstere wird das Upgrade „Shanghai“ ausgeführt, für letztere „Capella“. Die Entwickler verwenden daher für das Ganze sinnvollerweise die Bezeichnung „Shapella“. Vereinfacht umfasst die Ausführungsebene alle Smart Contracts und Protokollregeln, während die Konsensebene dafür sorgt, dass alle Validatoren im Netzwerk die Regeln einhalten.

Was ändert sich durch das Upgrade?

Der Beginn der Ethereum-Umstellung von Proof of Work (PoW) auf Proof of Stake (PoS) erforderte seit Dezember 2020 die Bindung zahlreicher Ether (ETH), der nativen Kryptowährung der Blockchain. Lambda-Validatoren setzten daher ihre wertvollen ETH im Staking ein, um das Netzwerk gegen eine jährliche Rendite von 4-5 % zu sichern. Trotz ihres Engagements waren den Stakern seit Dezember 2020 praktisch die Hände gebunden, was auch für diejenigen galt, die erst im weiteren Verlauf eingestiegen waren. Man wartete also geduldig auf das Shapella-Upgrade, ohne zu wissen, wann genau es umgesetzt würde, um dann die im Netzwerk gebundenen Ether und die Belohnungen abheben zu können. Am 12. April war es endlich so weit.

Shapella soll vor allem Flexibilität für die Staker schaffen, indem es über 18 Millionen Ether (ca. 15 % aller im Umlauf befindlichen ETH) im Gegenwert von ca. 34 Milliarden US-Dollar freigibt, die derzeit im System zur Netzwerksicherung (Staking) gesperrt sind.

18 Millionen gestakte Ether
Glassnode

Darüber hinaus verfügt das Ethereum-Netzwerk derzeit über mehr als 570.000 Validator-Knoten, die mindestens 32 ETH (Voraussetzung für den Validator-Status) halten. Doch können sich für einen Knoten auch mehrere Personen zusammenschließen, sodass die Zahl der physischen Validatoren, die zur Ausführung beitragen, deutlich über 570.000 liegen dürfte.

574.000 ETH-Validatoren
Glassnode

Das Upgrade setzt jedoch nicht nur die 18 Millionen Ether frei.

Dem Ethereum-Entwicklerteam zufolge werden mit Shapella auch fünf EIPs (Ethereum Improvement Proposals - Verbesserungsvorschläge bzw. Protokolländerungen für Ethereum) umgesetzt:

  1. EIP-3651 soll die Transaktionsgebühren (Gasgebühren) von Ethereum reduzieren, um die Transaktionskosten zu senken.
  2. EIP-3855 reduziert die Transaktionsgröße und ermöglicht so eine effizientere Nutzung des Speicherplatzes in der Blockchain.
  3. EIP-3860 soll einen Vektor für einen Denial-of-Service-Angriff (DoS) beseitigen und die Transaktionsgebühren deckeln, um Missbrauch zu verhindern.
  4. EIP-4895 ermöglicht Auszahlungen aus dem Ethereum-Staking, sodass Validatoren ihre gesperrten ETH zurückerhalten können.
  5. EIP-6049 passt die Transaktionsgebühren für Ethereum-Entwickler an und fördert damit weitere Entwicklungen auf der Plattform.

Für die Freigabe der Ether bietet die Ethereum Foundation zwei Optionen an: die Teilauszahlung oder die vollständige Auszahlung.

Bei der ersten Option können Nutzer sich einen Teil ihrer Gewinne auszahlen lassen, dabei jedoch ihre Funktion als Validatoren beibehalten und somit weiterhin Belohnungen in Ether einstreichen.

Die zweite Option bedeutet dagegen die Abhebung aller Ether, die im Staking platziert wurden, sowie die Aufgabe der Validatorenrolle.

Mit dieser Flexibilität sollten die Validatoren ausgehend von ihrer finanziellen Situation und ihren langfristigen Zielen fundierte Entscheidungen treffen können.

War ein massiver Ausverkauf und nachfolgender Kursdruck zu befürchten?

Laut einer jüngst von Kiln, einer auf Krypto-Staking spezialisierten Plattform, durchgeführten Umfrage planten 68 % der Teilnehmer, ihre Ether nach dem Shapella-Upgrade wieder in den Staking-Status zu überführen. Gleichzeitig beabsichtigten 44,5 % der Teilnehmer, einen Teil ihrer Ether unmittelbar nach dem Upgrade abzuziehen.

Aus mathematischer Sicht ist jedoch zu beachten, dass in jeder „Epoche“ (Zeitraum, der benötigt wird, um 30.000 Blöcke im Ethereum-Netzwerk zu erstellen) nur sieben Validatoren das Netzwerk verlassen können.

Derzeit dauert eine Ethereum-Epoche 6,4 Minuten. Ein Tag besteht aus 1.440 Minuten. Daher gilt: 7 x (1.440 Minuten / 6,4 Minuten) = maximal 1.575 Validatoren pro Tag. In einem Szenario, in dem alle Validatoren mit 32 ETH (die für den Validator-Status im Netzwerk erforderliche Zahl) ihre Token gleichzeitig liquidieren, hätte sich der Verkaufsdruck auf 1.575 x 32 ETH = 50.400 ETH pro Tag beziffert. Somit war der kurzfristige Abwärtsdruck teilweise begrenzt.

Ein weiterer interessanter Aspekt: Nur 29 % der Staker lagen vor dem Upgrade im grünen Bereich, hatten also seit ihrer ursprünglichen Investition einen Gewinn erzielt. Da sich damit ca. zwei Drittel der Staker in der Verlustzone befanden, war es zwar möglich, aber relativ unwahrscheinlich, dass sie ihre Ether zum bestehenden Kurs verkaufen. Zur Erinnerung: Gestakte Ether machen „nur“ 15 % aller im Umlauf befindlichen Token aus, was impliziert, dass nur ein „kleiner Teil“ der Token überhaupt vom Upgrade betroffen war.

Gewinne - Verluste aus gestakten ETH
Dune

Insgesamt markiert das Shapella-Upgrade für Ethereum einen großen Fortschritt, denn damit nimmt das Netzwerk zunehmend seine endgültige Gestalt an. Der Mitbegründer von Ethereum, Vitalik Buterin, erklärte im September 2022, dass das Ethereum-Netzwerk nach „The Merge“ (dem zum damaligen Zeitpunkt durchgeführten Upgrade) zu 55 % vollendet sei. Shapella dürfte folglich Ethereum seinem ultimativen Ziel näherbringen. Das nächste Upgrade - „The Surge“ - wird die Sharding-Technologie einführen und dazu beitragen, die Skalierbarkeit von Ethereum nativ zu erhöhen, indem die Hauptkette in mehrere kleinere Ketten, die sogenannten Shards, aufgeteilt wird.

Infografik zum Sharding
Medium

Das Sharding soll laut Vitalik Buterin bis 2024 stattfinden und die Skalierbarkeit von Ethereum um den Faktor 100.000 erhöhen.

Upgrade-Termine auf Ethereum
Ethereum Foundation

Mit „The Surge“ sollte sich das Nutzererlebnis spürbar verbessern. Aber damit nicht genug, denn darauf folgen weitere Ethereum-Upgrades: „The Verge“, „The Purge“ und „The Splurge“, die eine bessere Datenspeicherung ermöglichen sollen, indem sie den Speicherplatzbedarf der Validatoren verringern. Somit lassen sich dann auch vorübergehende Netzwerküberlastungen bei Ethereum begrenzen und das Risiko explodierender Transaktionsgebühren minimieren.

Unter dem Strich ist das Shapella-Upgrade ein entscheidender Schritt für Ethereum und die Community. Hierdurch werden im Staking gebundene Ether in erheblicher Zahl freigesetzt, die Gaskosten für Entwickler optimiert und der Weg für zukünftige Aktualisierungen und Verbesserungen des Netzwerks geebnet. Nach dem Upgrade können Anleger, die ihre Ether wieder ins Staking überführt haben, ihre Investments auch besser überblicken. Ihnen steht die Option offen, den Validator-Status zu erwerben, dabei aber gleichzeitig liquide zu bleiben, denn sie können das Netzwerk jederzeit verlassen - was bis zum Shapella-Upgrade nicht möglich war. Dieser Zugewinn an Freiheit könnte als starker Katalysator Investoren veranlassen, dem Ethereum-Netzwerk als Validatoren beizutreten.