- von Christian Krämer

Sao Paulo (Reuters) - Bundesbank-Präsident Joachim Nagel warnt vor einer zu schnellen Zinssenkung im Euro-Raum.

"In früheren Zinszyklen war Abwarten stets der bessere Ansatz, als zu früh zu reagieren. Es wäre fatal, wenn wir zu früh Zinsen senken und dann kommt die Inflation nochmal zurück", sagte Nagel am Mittwoch in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters am Rande des G20-Treffens im brasilianischen Sao Paulo. "Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit." Sonst seien auch stärkere Schwankungen an den Finanzmärkten zu befürchten.

Nagel zufolge ist die Europäische Zentralbank (EZB) aber auf dem richtigen Wege: "Ich bin zuversichtlich, dass das Inflationsthema bis 2025 erledigt ist." Bis dahin könne das Ziel einer Teuerungsrate von zwei Prozent wieder erreicht werden. Diese Marke gilt als optimal für die Wirtschaft, wurde aber zuletzt deutlich überschritten. "Es geht nun um den Zeitpunkt, wann eine mögliche Zinssenkung folgen könnte." Noch zuversichtlicher äußerte sich Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire in Sao Paulo. Nach seiner Einschätzung ist die Inflation in Europa und in den USA besiegt. Das sei ein großer Erfolg, sagte er.

Die Euro-Hüter beraten am 7. März in Frankfurt erneut über den Leitzins. Dann werden auch neue Projektionen zur Wirtschaftsentwicklung und zur Inflation erwartet. Nagel sagte, vor einer Zinssenkung brauche es noch mehr Daten. "Aus meiner Sicht ist der Weg noch nicht endgültig abgesichert. Es fehlen noch verlässlichere Daten zur Lohnentwicklung und eine Bestätigung, dass wir 2025 mit den neuen Daten dann bei zwei Prozent Inflation sind." Die Projektionen in der nächsten Woche seien dabei eine wichtige Wegmarke. Für problematisch hält Nagel, dass die Kerninflation nach wie vor bei über drei Prozent liegt. Im Januar lag diese Messgröße, die die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausklammert noch bei 3,3 Prozent. Die Kerninflation gilt als wichtiges Barometer für zugrundeliegende Preistrends.

HOHE LOHNABSCHLÜSSE BEREITEN SORGE

Insgesamt lag im Januar die Teuerungsrate in der Euro-Zone noch bei 2,8 Prozent. Im Herbst 2022 waren es zeitweise über zehn Prozent gewesen. Sorgen bereiten der EZB derzeit noch die vergleichsweise hohen Lohnabschlüsse. Diese sind aus Sicht vieler Währungshüter aktuell einer der wichtigsten Inflationstreiber. Manche Euro-Wächter erwarten, dass die EZB im Frühjahr ein klareres Bild der Lohnentwicklung in den Euro-Ländern haben wird.

Die EZB hatte zur Bekämpfung der hohen Inflation zehn Mal in Folge die Zinsen angehoben. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt bereits seit September 2023 auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. Nagel sagte, die Zinserhöhungen hätten Wirkung gezeigt. "Wir haben damit schon einiges geschafft. Wir dürfen jetzt keinen Fehler machen auf dem letzten Wegstück."

(Mitarbeit von Frank Siebelt in Frankfurt, redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)