Neuenburg (awp) - Die Jahresteuerung in der Schweiz ist im Juni leicht gesunken. Ökonomen sehen dies als positive Überraschung. Sie sind sich aber nicht einig, ob es demnächst zu einer weiteren Zinssenkung durch die Nationalbank kommen wird.

Die Jahresteuerung lag im Juni bei 1,3 Prozent nach 1,4 Prozent im Vormonat Mai, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Donnerstag mitteilte. Das heisst: Schweizer Konsumgüter waren durchschnittlich um 1,3 teurer als im entsprechenden Vorjahresmonat.

Die meisten Ökonomen hatten im Vorfeld mit einem unveränderten Wert gerechnet. Entsprechend erfreut zeigen sie sich in ersten Kommentaren. "Die Inflation hat im Juni erneut mit sehr niedrigen Werten überrascht", meint etwa Karsten Junius von Safra Sarasin. 

"Die Inflation ist in der der Komfortzone der Schweizerischen Nationalbank", kommentiert derweil Thomas Gitzel von der VP Bank. "Beim Blick auf die heutigen Inflationsdaten dürfen sich die eidgenössischen Währungshüter bestätigt fühlen: Die beiden Zinssenkungen vom März und Juni hatten durchaus ihre Berechtigung."

Bekanntlich peilt die Nationalbank eine Inflation zwischen 0 und maximal 2 Prozent an.

Ein Schritt oder zwei?

Uneinig sind sich die Ökonomen bei der Frage, ob und wann es zu einer weiteren Zinssenkung durch die SNB kommt. "Der nur schwach ausgeprägte Preisdruck in der Schweiz dürfte der Nationalbank weiterhin Spielraum geben, um die Rückführung der Leitzinsen auf ein neutrales Niveau noch in diesem Jahr zu vollenden", meint Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile.

Für viele Beobachter heisst das konkret: eine Zinssenkung im September, und danach ist Schluss.

Für Junius von Sarasin ist mit den aktuellen Inflationszahlen hingegen nicht nur die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung im September gestiegen, sondern auch dafür, "dass solch eine Zinssenkung nicht die letzte in diesem Zyklus bleibt".

Hartnäckige Dienstleistungsinflation

Doch es gibt auch warnende Stimmen. So verweist Céline Koster von der St. Galler Kantonalbank auf die "weiterhin hartnäckige Dienstleistungsinflation". So kam die Teuerung bei privaten Dienstleistungen bei relativ hohen 2,7 Prozent zu liegen. Renato Flückiger von der Valiant Bank sieht genau deswegen keine Grundlage für eine weitere Zinssenkung.

Santosh Brivio von der Migros Bank relativiert allerdings die Entwicklung bei den Dienstleistungen. Es gebe nach wie vor keine Hinweise für eine Lohn-Preis-Spirale. "Dass der Inflationsdruck in der Schweiz nicht höher ausfällt, liegt auch an den moderaten Lohnerhöhungen." Für die Arbeitnehmenden möge es ärgerlich sein, dass hierzulande nicht einmal der Teuerungsausgleich garantiert sei. "Gleichzeitig verhindern diese bescheidenen Lohnrunden das Entstehen eines Lohn-Preis-Effektes - das Preisniveau bleibt stabil."

Wechselkurs entscheidet

Entscheidend dafür, ob und wann es zu einer nächsten Zinssenkung kommt, ist laut mehreren Experten im Übrigen gar nicht die Inflation. "Zünglein an der Waage dürfte wohl der Wechselkurs des Franken sein", meint Thomas Gitzel von der VP Bank. Neuerliche Aufwertungen würden demnach Zinssenkungen begünstigen.

Ähnlich sieht dies Alessandro Bee von der UBS: "Wichtiger für die Entscheidung der Schweizerische Nationalbank im September ist die Entwicklung des Schweizer Frankens und die Geldpolitik anderer Notenbanken."

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