Das Barometer für das Geschäftsklima ging überraschend stark um 1,9 auf 99,1 Punkte zurück, wie das Münchner Ifo-Institut am Freitag mitteilte. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem Abschwung", fasste Ifo-Präsident Clemens Fuest die monatliche Umfrage unter 9000 Führungskräften zusammen. Eine Rezession erwarten die meisten Experten zwar nicht, aber auch keine deutliche Trendwende zum Besseren.

Pessimistischer ist auch die Bundesregierung. Sie halbierte Insidern zufolge ihre Wachstumsprognose für Europas größte Volkswirtschaft nahezu: Im laufenden Jahr soll es nur noch zu einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 1,0 Prozent reichen, wie aus dem Entwurf zum Jahreswirtschaftsberichts hervorgeht, der kommende Woche vorgestellt werden soll. Bislang war Berlin von 1,8 Prozent ausgegangen. Die Regierung ist damit pessimistischer als alle führenden Institute. 2020 soll es dann zu 1,6 Prozent reichen. Zum Vergleich: 2018 hatte es noch ein Plus von 1,5 Prozent gegeben, 2016 und 2017 zu jeweils 2,2 Prozent.

Die Führungskräfte in den Unternehmen beurteilen ihre Geschäftslage so schlecht wie seit knapp zwei Jahren nicht mehr, die Aussichten für die kommenden sechs Monate sogar so negativ wie seit über sechs Jahren nicht mehr, ergab die Ifo-Umfrage. In allen großen Branchen trübte sich die Stimmung ein - im Handel ebenso wie bei den Dienstleistern und in der Bauwirtschaft sowie insbesondere in der exportabhängigen Industrie. "In allen wichtigen Industriezweigen, außer der Chemischen Industrie, verschlechterte sich das Geschäftsklima", sagte Fuest dazu. Grund ist die schwächere Weltkonjunktur, die die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" drückt.

"IMMER FROSTIGER"

Ökonomen erklären die schlechte Stimmung mit den gestiegenen Risiken. "Die Nachrichtenlage wird immer frostiger: Der Brexit wirkt immer bedrohlicher, in Frankreich laufen die Gelbwesten Sturm, in China schwächt sich die Konjunktur ab, in den USA herrscht seit einem Monat Stillstand in der Verwaltung und in Deutschland wartet man immer noch vergeblich auf einen Rückprall in der Automobilindustrie", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. "Kein Wunder, dass die Zuversicht schwindet, kein Wunder, dass Konjunkturprognosen nach unten revidiert werden." Noch sei die Lage aber vergleichweise gut, sagte Ökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe: "Von einer echten Rezession ist die Wirtschaft noch weit entfernt". Privater Konsum, Bauboom und Investitionen der Unternehmen dürften die drohende Exportschwäche abfedern.

Viele Experten sehen die Regierung angesichts der eingetrübten Aussichten aber unter Zugzwang. "Sie sollte sich dies zu Herzen nehmen", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Wichtiger als Steuersenkungen sind der Bürokratieabbau und Investitionen in das schnelle Internet. Auch die Verkehrsinfrastruktur hätte eine Runderneuerung verdient." Bei der LBBW wird das ähnlich gesehen. "Es wird Zeit, dass auch die Politik ihre Handlungsfähigkeit wieder unter Beweis stellt und sich der Risiken stärker annimmt", sagte deren Chefvolkswirt Uwe Burkert. "Sonst werden wir die realwirtschaftlichen Folgen bald deutlicher spüren."