Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Nicht Fisch und nicht Fleisch: Volkswirte beschreiben die deutsche Volkswirtschaft derzeit gerne als eine, die sich irgendwo zwischen Stagnation und Rezession befindet. Das ist richtig: Im ersten Quartal ist sie um 0,1 Prozent geschrumpft, im zweiten hat sie stagniert, und für das dritte deuten Daten auf einen abermaligen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hin. Am Montag (10.00 Uhr) wissen wir mehr - und vier Stunden später auch über die Entwicklung der Inflation, die der Volkswirtschaft so zu schaffen macht.

Und auch sonst ist in der Woche einiges los: Europäische Verbraucherpreis- und BIP-Daten, geldpolitische Entscheidungen von US-Notenbank, Bank of England sowie Bank of Japan und zum Abschluss der US-Arbeitsmarktbericht. Achtung: Wegen der Umstellung auf Normalzeit liegen die US-Termine eine Stunde früher als normalerweise.


   Deutsches BIP sinkt im 3. Quartal um 0,2 Prozent 

Die deutsche Wirtschaft dürfte im dritten Quartal etwas geschrumpft sein. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent gesunken ist. Erhöht hat sich die deutsche Wirtschaftsleistung zuletzt vor einem Jahr - im dritten Quartal 2022.

Die bisher vorliegenden Daten bieten ein eher trostloses Bild: Die Produktion im produzierenden Sektor lag im Durchschnitt der Monate Juli und August um 1,7 Prozent unter dem Niveau des Vorquartals. Der Rückgang der Inlandsaufträge für Investitionsgüter (minus 8,8 Prozent) deutet auf eine sehr gebremste Investitionstätigkeit hin, und ein Minus bei den Einzelhandelsumsätzen von 0,8 Prozent auf einen nicht gerade überschäumenden Konsum. Immerhin haben die Dienstleistungsumsätze um 0,8 Prozent zugelegt - allerdings nur im Juli, aktuellere Daten liegen nicht vor.

Vor einer echten Rezession bewahrt Deutschland bisher nur der Arbeitsmarkt, der seine robuste Konstitution auch dem Bemühen der Unternehmen verdankt, angesichts eines knapper werdenden Arbeitsangebots an ihren Mitarbeitern festzuhalten. Destatis veröffentlicht in erster Schätzung nur Quartals- sowie Jahresrate und gibt qualitative Hinweise zu den Wachstumsbeiträgen.


   Euroraum-BIP stagniert im 3. Quartal 

Die Wirtschaftsleistung des Euroraums dürfte im dritten Quartal 2023 stagniert haben. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass das BIP gegenüber dem Vorquartal unverändert geblieben ist, nachdem es im zweiten Jahresviertel stagniert hatte. Die exportorientierte Industrie leidet seit längerem unter der großen globalen Unsicherheit, die die Nachfrage nach europäischen Gütern belastet. Zudem scheint die post-pandemische Erholung im Dienstleistungssektor beendet zu sein. Beeinflusst werden die Erwartungen für den Euroraum (Dienstag, 11.00 Uhr) sicher noch den französischen BIP-Daten (Dienstag, 7.30 Uhr). Österreich veröffentlicht schon am Montag (9.00 Uhr).


   Euroraum-Inflation sinkt im Oktober deutlich 

Der Inflationsdruck im Euroraum dürfte im Oktober weiter deutlich nachgelassen haben. Zwar wird ein monatlicher Anstieg der Verbraucherpreise um 0,4 Prozent erwartet, doch prognostizieren die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte außerdem auch, dass die Jahresteuerungsrate auf 3,3 (September: 4,3) Prozent zurückgegangen ist. Ursache ist vor allem ein Basiseffekt, der sich aus einem starken Anstieg der Energiepreise im Oktober 2022 ergibt. Aber auch für die Kernteuerungsrate wird ein Rückgang auf 4,2 (4,5) Prozent erwartet. Eurostat veröffentlicht die Daten am Dienstag (11.00 Uhr), zeitgleich mit dem BIP.


   Deutsche HVPI-Teuerung sinkt im Oktober 

Deutsche Preisdaten kommen bereits am Montag (14.00 Uhr). Der Inflationsdruck in Deutschland dürfte im Oktober weiter deutlich nachgelassen haben. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) gegenüber dem Vormonat um 0,2 Prozent gestiegen ist und um 3,4 (September: 4,3) Prozent über dem Niveau des Vormonats lag. Den größten Beitrag zum Rückgang der Inflation dürfte ein Basiseffekt bei den Energiepreisen geleistet haben. Ab dem Morgen veröffentlichen sechs Statistische Landesämter ihre Preisdaten, als erstes Nordrhein-Westfalen (7.30 Uhr). Spanische Verbraucherpreisdaten kommen am Montag (9.00 Uhr), französische am Dienstag (8.45 Uhr).


   Bank of Japan lässt Geldpolitik vorerst unverändert 

Zur Geldpolitik: Die Bank of Japan (BoJ) dürfte ihre Geldpolitik unverändert lassen. Analysten rechnen damit, dass die BoJ zunächst weiterhin an einem Einlagenzins von minus 0,1 Prozent, dem Ziel einer Rendite 10-jähriger Staatsanleihen von 0 Prozent und den dafür notwendigen Anleihekäufen festhalten wird. Grund ist, dass die Zentralbanker die für japanische Verhältnisse hohe Inflationsrate von zuletzt 3,3 (Kernrate Großraum Tokio: 2,7) Prozent als nicht nachhaltig betrachten und erst höhere Lohnabschlüsse sehen wollen.

Manche Analysten spekulieren, dass die BoJ die erlaubte Schwankungsbreite der Rendite um die Null-Marke herum erneut ausweiten könnte, was unter den gegebenen Marktbedingungen (US-Rendite bei knapp 5 Prozent) einem höheren Renditeziel gleichkäme und den Interventionsdruck senken würde. Die BoJ macht ihre geldpolitischen Entscheidungen am frühen Mittwochmorgen bekannt.


   US-Notenbank lässt Zinsen unverändert 

Am Abend desselben Tages - dieses Mal schon um 19.00 Uhr - folgt die US-Notenbank. Der Offenmarktausschuss FOMC dürfte den Fed-Funds-Zielsatz bei 5,25 bis 5,50 Prozent belassen. Fed-Chairman Jerome Powell hatte bei seiner jüngsten Rede im Economic Club of New York eine recht ausgewogene Botschaft vermittelt, die aber von Analysten und Marktteilnehmern vor allem so interpretiert wurde, dass die Fed vorerst das Zinsniveau halten wird. Das Augenmerk der Analysten wird voraussichtlich auf Powells Pressekonferenz (19.30 Uhr) liegen. Neue Zins- und Makroprognosen des FOMC werden erst im Dezember veröffentlicht.

Die zuletzt veröffentlichten Daten - nicht zuletzt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das dritte Quartal - deuten auf ein recht starkes Wirtschaftswachstum, was mit Blick auf die Inflationsbekämpfung eher ungünstig ist.


Bank of England lässt Geldpolitik unverändert 

Der Geldpolitische Ausschuss der Bank of England (BoE) dürfte seine Geldpolitik ebenfalls unverändert lassen - Termin ist Donnerstag (13.00 Uhr). Zwar waren Inflation (6,7 Prozent) und Kerninflation (6,1 Prozent) bis zuletzt ungemütlich hoch und die Gesamtinflation auch deutlich höher als erwartet, doch deuten Konjunkturdaten auf ein zunehmendes Rezessionsrisiko hin. Marktteilnehmer wetten daher auf Zinssenkungen im nächsten Jahr. Zudem deutet sich eine gewisse Entspannung am Arbeitsmarkt an.

Innerhalb des geldpolitischen Ausschusses (MPC) gehen die Meinungen über die notwendige Geldpolitik aber weit auseinander. Barclays rechnet damit, dass ein MPC-Mitglied für eine Zinssenkung stimmen wird, zwei dürften für eine Anhebung votieren und sechs für unveränderte Zinsen.


US-Beschäftigtenzahl wächst im Oktober deutlich langsamer 

Die Beschäftigtenzahl in den USA dürfte im Oktober nach dem starken Anstieg im September - 336.000 statt erwarteter 170.00 und Aufwärtsrevision der Vormonate - deutlich langsamer gewachsen sein. Volkswirte rechnen mit nur 173.000 zusätzlichen Jobs außerhalb der Landwirtschaft und einer unveränderten Arbeitslosenquote von 3,8 Prozent. Für die Stundenlöhne wird ein monatlicher Anstieg um 0,3 (0,2) Prozent erwartet. Der extrem starke US-Arbeitsmarkt bereitet der Fed einige Probleme, da er einen rascheren Rückgang der Inflation behindert.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/sha/kla

(END) Dow Jones Newswires

October 30, 2023 02:00 ET (06:00 GMT)