Es werde weiter um die Kleinstadt gekämpft, schrieb die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Freitag auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Seit Tagen dauern die für beide Seiten verlustreichen Kämpfe an. Für Russland geht es auch um einen wichtigen propagandistischen Sieg, denn eine Eroberung wäre der größte militärische Erfolg seit einer Serie von Rückschlägen. In der Regierung in Kiew wachsen gleichzeitig Befürchtungen, Belarus könnte in den Krieg eintreten und zusammen mit Russland eine neue Front im Norden der Ukraine eröffnen.

"Die Nacht war heiß, die Kämpfe gingen weiter", schrieb Maljar. Die ukrainischen Soldaten versuchten, sich gegen die intensiven russischen Angriffe zu stemmen. Der Feind habe alle Hauptkräfte in Richtung Donezk geworfen, seine Offensive sei weiterhin stark. "Dies ist eine schwierige Phase des Krieges, aber wir werden gewinnen. Daran besteht kein Zweifel."

Außerhalb von Soledar haben sich ukrainische Soldaten in winterlichen Wäldern in Schützengräben eingegraben. Ein 24-jähriger Soldat mit dem Spitzamen Buk sagte Reuters, die Intensität des Artillerienfeuers habe um etwa 70 Prozent zugenommen. Die Truppen würden aber die Stellungen halten. "Die Lage ist schwierig, aber stabil." Reuters konnte die Situation in der Stadt, die vor dem Krieg etwa 10.000 Einwohner hatte, nicht überprüfen. Nach ukrainischen Angaben sind mehr als 500 Zivilisten in der Stadt eingeschlossen, darunter 15 Kinder.

UKRAINE UND RUSSLAND BEZEICHNEN KÄMPFE ALS FLEISCHWOLF

Der Kampf um Soledar und um das nahe gelegene, gut zehnmal so große Bachmut wird von beiden Seiten als "Fleischwolf" beschrieben. Er ist auch von großem symbolischen Wert, nachdem die Frontverläufe sich seit zwei Monaten kaum verändert haben und weder Russland noch die Ukraine einen größeren Erfolg melden konnte. Russische Angaben zu dem Kämpfen um Soledar waren bislang widersprüchlich. Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, meldete am Mittwoch die Einnahme der Kleinstadt. Die von Russland eingesetzten Behörden erklärten dagegen, es gebe noch "Widerstandsnester". Die USA erwarten von dem Ausgang der Kämpfe keine entscheidende Wendung. Auch wenn Soledar und Bachmut in russische Hände fielen, werde dies keine strategische Auswirkungen haben, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in den USA, John Kirby.

In der Ukraine richtet sich die Aufmerksamkeit auch auf die Grenze zu Belarus im Norden des Landes. Der Vertreter des Außenministeriums in Moskau, Alexej Polischtschuk, schloss am Freitag eine Beteiligung von Belarus am Krieg nicht aus. Voraussetzung sei ein Angriff der ukrainischen Armee auf das Nachbarland, sagte er der russischen Nachrichtenagentur Tass. Russland hat Belarus bereits früher als Sprungbrett für seine am 24. Februar 2022 begonnene Invasion genutzt. Zudem haben Russland und Belarus vereinbart, die militärische Zusammenarbeit auszubauen und eine gemeinsame Kampfeinheit aufgebaut.

Gemeinsame russisch-belarussische Militärübungen sollen nach Darstellung Polischtschuks eine Eskalation der Lage verhindern. Potenzielle Gegner sollten abgeschreckt und von Provokationen abgehalten werden. Die endgültige Entscheidung über militärische Maßnahmen liege bei den Präsidenten Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko. Am Mittwoch hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gefordert, sein Land müsse sich an der Grenze zu Belarus auf alles gefasst machen.

(Reuters-Büros, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Pavel Polityuk und Vladyslav Smilianets