Kiew (Reuters) - Russland hat die Ukraine erneut mit massiven Luftangriffen überzogen.

Dabei seien vier Menschen getötet und mindestens 92 verletzt worden, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag mit. Unter Beschuss lagen vor allem die Hauptstadt Kiew und die Großstadt Charkiw im Nordosten. Dem ukrainischen Militär zufolge handelte es sich um einen ebenso schweren Angriff wie am Freitag, der der größte Angriff seit Kriegsbeginn im Februar 2022 gewesen sein soll und bei dem 39 Menschen getötet wurden. Das ukrainische Militär schoss nach eigenen Angaben über 70 russische Raketen und Marschflugkörper ab. Dabei handelte es sich um zehn Kinschal-Hyperschallraketen, 59 Marschflugkörper und drei Raketen vom Typ Kalibr, teilte Armeechef Walerij Saluschnyj auf Telegram mit.

Selenskyj kündigte eine ukrainische Reaktion auf die Luftangriffe an: "Russland wird für jedes getötete Leben geradestehen", sagte er. Außenminister Dmytro Kuleba drängte die Verbündeten der Ukraine, rascher Waffen zu liefern. Kuleba habe die westlichen Partner aufgefordert, auf die jüngsten russischen Angriffe zu reagieren, indem sie "die Lieferung zusätzlicher Luftverteidigungssysteme, Kampfdrohnen aller Art und Langstreckenraketen mit einer Reichweite von über 300 Kilometern beschleunigen", teilt sein Ministerium mit. Kuleba habe die Partner außerdem aufgefordert, eine Entscheidung zu treffen und eingefrorene russische Vermögenswerte für den Bedarf der Ukraine zu transferieren. Zudem sollten die Verbündeten ihre Kontakte mit russischen Diplomaten in den entsprechenden Hauptstädten und internationalen Organisationen beenden.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte der Ukraine wegen des Beschusses der Grenzregion Belgorod mit weiteren Angriffen gedroht. Am Samstag waren nach russischen Angaben bei einem ukrainischen Luftangriff in der Regionalhauptstadt Belgorod nahe der Grenze 24 Zivilisten getötet worden. Am Dienstag gab es russischen Angaben zufolge erneut einen Luftangriff auf die Stadt. Dabei sei ein Mann schwer verletzt worden, teilte Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow mit. Die russische Luftabwehr habe vier Geschosse abgeschossen, die sich der Stadt genähert hätten, schrieb er auf Telegramm.

In Kiew stürzten Trümmer abgeschossener Raketen im morgendlichen Berufsverkehr auf das Stadtgebiet. Bürgermeister Vitali Klitschko zufolge starb eine ältere Frau auf dem Weg in eine Klinik in einem Krankenwagen an den Folgen ihrer Verletzungen. Im Bezirk Pecherskyi wurden laut seinen Angaben Gasleitungen beschädigt, in mehreren Teilen der Hauptstadt fielen Strom und Wasser aus. Rettungskräfte kämpften an mehreren Orten gegen Brände. In Charkiw sprach Bürgermeister Ihor Terechow von einem "massiven Raketenangriff". Auch landesweit gab es wieder Luftalarm. Das ukrainische Militär erklärte, die Luftabwehr habe alle 35 Angriffsdrohnen zerstört, die Russland nach Mitternacht auf Kiew und andere ukrainische Städte abgefeuert habe. Der Kommandeur der ukrainischen Luftwaffe sagte, der neue russische Luftangriff sei hinsichtlich der Anzahl und Art der Geschosse eine Wiederholung des bislang größten Angriffs vom Freitag gewesen, als die Ukraine mit etwa 158 Raketen und Drohnen attackiert worden war.

(Bericht von Gleb Garanich und Lidia Kelly, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)