BADEN-BADEN (dpa-AFX) - Die großen deutschen Rückversicherer hoffen nach hohen Sturmschäden in mehreren Ländern doch noch auf einen Dreh an der Prämienschraube. Weltmarktführer Munich Re rechnet nach den Wirbelstürmen "Florence" und "Michael" bei der nächsten Vertragserneuerung mit mindestens stabilen Preisen, Konkurrentin Hannover Rück will die Prämien in Deutschland anheben. Deutlich vorsichtiger als im Geschäft mit Sturm-, Feuer- und Unfall-Schäden geben sich die Konzerne in der Cyber-Versicherung.

Schutz gegen Internet-Kriminalität und Datenverlust gilt ihnen zwar als wichtiger Wachstumsmarkt - aber auch als kaum erforschtes Terrain. "Wir müssen dieses Thema abdecken und dürfen nicht davor zurückschrecken, wenn wir als Branche relevant bleiben wollen", sagte Munich-Re-Vorstandsmitglied Doris Höpke am Montag beim Branchentreffen in Baden-Baden. Doch noch immer gebe es zu Risiken im Cyber-Bereich zu wenige Daten. Denn eine einzige Attacke auf Daten- und Computernetze könne binnen Sekunden Schäden in der ganzen Welt auslösen.

Versicherer und Rückversicherer müssen solche Risiken bewerten und vor Vertragsabschluss von ihren Kunden - Unternehmen oder Privatleuten - eine angemessene Prämie verlangen. Zudem müsse man die zunehmende Vernetzung der Welt berücksichtigen, sagte Höpke. Dabei deckten viele alte Versicherungsverträge Cyber-Risiken sogar ab, weil der Versicherer sie beim Abschluss vor vielen Jahren nicht ausgeschlossen habe.

Die Munich Re erwartet, dass der weltweite Markt für Cyber-Versicherungen bis zum Jahr 2020 von zuletzt 4 Milliarden US-Dollar auf 8 bis 9 Milliarden Dollar wächst. Die Munich Re rechnet für sich in diesem Bereich mit Prämieneinnahmen von rund 400 Millionen Dollar. Noch stammt der Löwenanteil der Einnahmen aus den USA.

In Europa dürfte die Nachfrage allerdings anziehen, schätzt Höpke. Vor allem kleinere Unternehmen seien gefährdet, weil Schäden etwa durch Datenpannen schnell in die Millionen gingen - und solche Firmen diese Summen oft nicht aus eigener Kraft tragen könnten. Der weltweit viertgrößte Rückversicherer Hannover Rück erwartet, dass die Cyber-Versicherung in Deutschland von 50 bis 75 Millionen Euro im laufenden Jahr in den kommenden fünf Jahren auf 250 bis 300 Millionen Euro wächst.

Die Rückversicherer treffen sich jedes Jahr im September in Monte Carlo und im Oktober in Baden-Baden mit Maklern und Kunden, um Konditionen und Preise für das kommende Jahr zu sondieren.

Im gesamten Schaden- und Unfallgeschäft erhofft sich Munich Re nun eine "mindestens stabile Erneuerungsrunde", wie Höpke sagte. Mitte September hatte der Konzern lediglich ein stagnierendes Prämienniveau angepeilt, nachdem der Anstieg im Rückversicherungsgeschäft schon 2018 überraschend gering ausgefallen war. Dabei hatte die weltweite Versicherungsbranche 2017 das schwerste Naturkatastrophenjahr ihrer Geschichte verbucht und zunächst auf stärkere Preissteigerungen gehofft.

Da die Rückversicherer auf einem extrem dicken Kapitalpolster sitzen, gibt es weltweit allerdings weiterhin ein Überangebot an Rückversicherungsschutz - und einen seit Jahren anhaltenden Preiskampf. Höpke hofft, dass sich Rückversicherer in den Verhandlungen mit Versicherern, von denen sie Risiken übernehmen, nicht zu weit verbiegen lassen.

Für eine Schätzung der jüngsten Schäden durch die Stürme "Florence" und "Michael" ist es laut Höpke noch zu früh. Nach Ansicht des Risiko-Analysediensts AIR Worldwide dürfte die Versicherungsbranche allein für Sturm- und Windschäden durch Hurrikan "Michael" mit 6 bis 10 Milliarden Dollar (5,2 bis 8,7 Mrd Euro) geradestehen müssen. Die versicherten Schäden durch Hurrikan "Florence" taxieren die Experten bisher auf 1,7 bis 4,6 Milliarden Dollar.

Der weltweit zweitgrößte Rückversicherer Swiss Re hat für das dritte Quartal aufgrund vorläufiger Schätzungen bereits Naturkatastrophenschäden von 1,1 Milliarden US-Dollar gemeldet. Davon entfiel eine halbe Milliarde Dollar auf Taifun "Jebi" in Japan, weitere 120 Millionen kamen durch "Florence".

Unterdessen will Hannover Rück bei ihren deutschen Kunden an der Preisschraube drehen. In der deutschen Kfz-Rückversicherung, in der die Hannover-Rück-Tochter E+S Rück Marktführer ist, erwartet Vorstandsmitglied Pickel Verbesserungen für den Konzern. Im Katastrophengeschäft soll das Prämienniveau in denjenigen Regionen steigen, in denen die Folgen von Sturm "Friederike" und anderen Naturereignissen teuer zu Buche schlugen.

In der Industrie-Feuer-Rückversicherung forderte Pickel "deutliche Konditionsverbesserungen" für den Konzern. Andernfalls werde der Rückversicherer auf Geschäft verzichten. Zuletzt hatten Brände in der Lürssen-Werft in Bremen, im Europapark Rust und eine Explosion in einer Bayernoil-Raffinerie bei Ingolstadt hohe Schäden angerichtet./stw/she/he