Von Julia-Ambra Verlaine

NEW YORK (Dow Jones)--Für die Anleger ist die Marschrichtung klar. Sie setzen darauf, dass der anhaltende Anstieg des US-Dollars den Währungen vom ungarischen Forint bis zum philippinischen Peso schadet, wobei der Forint und der polnische Zloty kürzlich neue Tiefststände erreichten. Die ausgedehnten Verluste sind ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die Stärke des Dollars auf die Währungen der Schwellenländer auswirkt und die Zentralbanken weltweit unter Druck setzt, die Zinssätze zu erhöhen - selbst um den Preis einer Rezession. "In den Schwellenländern wird es Probleme geben", berichtet die Ökonomin Megan Greene von der Harvard Kennedy School und verweist auf die Staatsschuldenkrise in Sri Lanka sowie schwindende Devisenreserven. "Das ist eine bekannte Geschichte in den Schwellenländern und ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird."

Wall-Street-Firmen, die Währungen kaufen und verkaufen, erklärten, dass sich ihre Kunden zunehmend auf die Auswirkungen eines stärkeren Dollars konzentrierten. Der WSJ-Dollar-Index, der die US-Devise gegenüber einem Korb von 16 Währungen misst, ist im vergangenen Jahr um mehr als 12 Prozent nach oben gesprungen. Die Sorge um eine ausufernde Inflation, die Furcht vor einer weltweiten Rezession und die aggressive Haltung der US-Notenbank Fed zur Eindämmung der steigenden Verbraucherpreise haben die Weltleitwährung auf ein Mehrjahreshoch getrieben. Der Dollar-Anstieg hat die Schätzungen der Analysten übertroffen, und viele erwarten, dass er bis zum Jahresende weiter zulegt. Ein starker Dollar lässt normalerweise die Währungen der Schwellenländer ins Trudeln geraten. Diesmal jedoch blieben die Schwellenländermärkte während der ersten Phase des Dollaranstiegs widerstandsfähig. Und sie überstanden externe Schocks wie den Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar sowie die starken Bewegungen an den US-Anleihemärkten, als die Fed ihre lockere Geldpolitik aufgab.


   Südafrikanischer Rand und brasilianischer Real zeigen erste Zeichen von Schwäche 

Das Blatt wendete sich im Juni, als die Geldverwalter begannen, den südafrikanischen Rand und den brasilianischen Real zu verkaufen, nachdem sie sie zu Beginn des Jahres gekauft hatten. Die Abwärtsbewegung fiel mit den nachgebenden Rohstoffpreisen zusammen, wodurch die Stütze für die Volkswirtschaften der Schwellenländer wegfiel, die auf Exporte wie Kupfer und Öl angewiesen sind. Jetzt, so Analysten von Goldman Sachs, zeigten sich "Risse" in den Währungen der Schwellenländer. Sie hatten immerhin mehr als ein Jahr lang gegenüber einem Korb von neun Hauptwährungen, darunter der Schweizer Franken und der kanadische Dollar, überdurchschnittliche Renditen erzielt. "In den vergangenen Tagen werden wir immer wieder auf makroökonomische Anzeichen für die Anfälligkeit der Schwellenländerwährungen angesprochen", berichtet Kamakshya Trivedi, ein Goldman-Analyst.

Hedgefonds, die auf die Entwicklung von Währungen wetten, haben als nächstes die mitteleuropäischen Währungen im Visier, da sie aufgrund des Krieges in der Ukraine zu den anfälligsten gehören. Portfoliomanager verkaufen den Forint und den Zloty als Wette auf die mögliche Energiekrise in Europa. "Wenn die Gaslieferungen in diesem Sommer unterbrochen werden, werden diese Währungen die Hauptlast tragen", mutmaßt Analyst Stephen Gallo von BMO Capital Markets. Der ungarische Forint und der polnische Zloty haben in diesem Monat jeweils bis zu 6 Prozent gegenüber dem Dollar verloren. Die tschechische Krone hat um mehr als 2 Prozent nachgegeben. Analysten halten die Krone für die widerstandsfähigste Währung Mitteleuropas, da die Tschechische Nationalbank nach der Finanzkrise 2008 einen Bestand an Devisenreserven aufgebaut hat. Eine schwächere Währung kann die Inflation anheizen und den Preisanstieg in Ländern, die bereits mit steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen zu kämpfen haben, noch verstärken. Das Problem ist für Schwellenländer noch akuter, die den Dollar für den Handel mit ausländischen Waren und Rohstoffen nutzen.


   Euro und Yen wenig attraktiv 

Die Stärke des Dollars besteht zum Teil darin, dass Währungsspekulanten kaum Alternativen haben. Ein düsterer Ausblick der Investoren auf wichtige Handelspartner der USA, insbesondere Europa und Japan, schadet den dortigen Währungen. Politische Unruhen in Italien und steigende Gaspreise in ganz Europa vereiteln Kursgewinne des Euro, der vor kurzem zum ersten Mal seit 2002 unter die Parität zum US-Dollar gefallen ist. Wie sich die Währungen entwickeln, kann eine Wette darauf sein, ob die Anleger meinen, dass die Zentralbank eines Landes aggressiv handelt, um die Inflation zu stoppen. Seit der Finanzkrise haben die Währungshüter weltweit die Zinssätze auf nahezu null gesenkt, um die Märkte und Volkswirtschaften zu stützen. Jetzt versuchen sie in unterschiedlichem Tempo, die Bedingungen für die Kreditaufnahme zu verschärfen, was zum ersten Mal seit Jahrzehnten für Volatilität auf den Währungsmärkten sorgt.

Die Anleger haben den Dollar zum Teil wegen der strafferen Geldpolitik der Fed in die Höhe getrieben, die ihrer Meinung nach signalisiert, dass sie alles tun wird, um die Inflation zu stoppen. Der Wert des Yen hat unterdessen gelitten, da die Bank of Japan ihre Politik des billigen Geldes beibehält. Sowohl die ungarische als auch die polnische Zentralbank haben in den vergangenen Monaten die Zinssätze angehoben, was jedoch kaum Auswirkungen auf ihre jeweiligen Währungen hatte. Die ungarische Zentralbank hat ihren Leitzins diesen Monat um 2 Prozentpunkte angehoben. "Die Märkte haben viel zu verdauen", erläutert Ökonom Seth Carpenter von Morgan Stanley. "Nach dem Covid-Schock bewegten sich alle großen Zentralbanken in dieselbe Richtung, aber das ist vorbei."


   Dollar könnte dank taubenhafterer Fed wieder nachgeben 

Der Euro ist im bisherigen Jahresverlauf um mehr als 10 Prozent gefallen. Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit 2011 die Zinsen angehoben hat, kann die Währung nicht wesentlich zulegen, da der Leitzins der EZB immer noch bei null liegt. Die Fed hob zuletzt ihren Leitzins auf eine Spanne zwischen 2,25 Prozent und 2,5 Prozent an. Der Dollar büßte in der vergangenen Woche einige Gewinne ein, da die Erwartungen der Anleger über den Verlauf künftiger Zinserhöhungen auseinandergingen. Einige Geldmarktmanager wetten darauf, dass die Fed ihren Kurs ändern und die Kreditaufnahmebedingungen bis Anfang 2023 lockern wird. Niedrigere Zinsen würden den Dollar in der Regel von seinem Höchststand herunterstoßen.

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August 01, 2022 04:59 ET (08:59 GMT)