Für die Finanzmärkte waren die enttäuschenden Konjunkturindikatoren diese Woche nur zweitrangig. Stattdessen wurden die Anzeichen für eine Lockerung der Null-Covid-Politik in China und vor allem die vergleichsweise milden Töne von Jerome Powell in Bezug auf eine Verlangsamung der Zinserhöhungen ab Dezember begrüßt. Der monatliche US-Arbeitsmarktbericht sorgte allerdings für einen Dämpfer. So wurden 263.000 neue Stellen geschaffen und damit deutlich mehr als erwartet (200.000), gleichzeitig stiegen die Stundenlöhne um 0,6 %. In der Folge kam es am Freitag zu Gewinnmitnahmen.
Wochenperformance*
STOXX EUROPE 600
443.29  +0.58%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4071.70  +1.13%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27777.90  -1.79%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1797.25$  +2.65%
Chart GOLD
BRENT OIL
85.90$  +3.00%
Chart BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.05$  +1.60%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Okta (+35 %): Der Anbieter von Identity-Lösungen stemmte sich gegen die Marktprognosen und übertraf im abgelaufenen Quartal die Analystenschätzungen. Das Management vermittelte eine beruhigende und in sich schlüssige Botschaft zu den mittelfristigen Aussichten, die bei den Analysten gut ankam.

Horizon Therapeutics (+29 %): Das Wall Street Journal vermeldete diese Woche, dass mehrere Pharmakonzerne - darunter Janssen, Amgen und Sanofi - an dem Biotechnologieunternehmen interessiert sind. Infolgedessen stieg die Kapitalisierung innerhalb von zwei Handelstagen von unter 18 auf fast 23 Mrd. USD.

Pinduoduo (+27 %): Eine gute Woche für den in den USA notierten chinesischen Onlinehändler, dem die wiedererwachte Risikobereitschaft der Anleger zugutekam. Auch andere Werte des Sektors wie Alibaba und Bilibili profitierten davon.

Boohoo (+14 %): Das britische Unternehmen wird nun von einem neuen Vorstandschef geführt - einem Veteranen der Londoner City, auf den die Märkte gut zu sprechen sind. Zudem verdoppelte Boohoo seine Beteiligung an Revolution Beauty von 12,8 % auf 26,4 % und ist nun größter Aktionär des Unternehmens. Der Titel gewann im Wochenverlauf 11,3 % hinzu.

SUSE (+11 %): Der deutsche Softwareanbieter ließ sich diese Woche von der Dynamik der Nasdaq-Erholung anstecken. Darüber hinaus bekräftigte Goldman Sachs seine positive Einschätzung der Aktie mit einer Anhebung des Kursziels von 21 auf 25,50 EUR, was die Begeisterung nur noch weiter anfachte.

Trigano (+10 %): Der führende europäische Wohnmobilhersteller lieferte wie üblich gute Geschäftsjahreszahlen ab. Der Nettogewinn stieg im Ende September abgelaufenen Berichtsjahr um ein Viertel. Das Management ist davon überzeugt, dass sich das Unternehmen auch im aktuellen Inflationsumfeld behaupten kann.

ASM International (+10 %): Deutlicher Aufwärtstrend für den Hersteller von Produktionsanlagen für die Halbleiterindustrie: Der Konzern hatte vor einigen Wochen enttäuscht, als er ankündigte, dass die US-amerikanischen Restriktionen für nach China verkaufte Chips sein Geschäft belasten würden. Doch hatte sich die damalige Einschätzung wohl als zu konservativ erwiesen, sodass die Ziele nun angehoben werden konnten.

Compagnie Financière Richemont (+9 %): Die Begeisterung für Luxusgüterhersteller, die insbesondere durch die Hoffnung auf eine Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft ausgelöst wurde, hat sich bis nach Zürich ausgebreitet. Richemont hatte bereits zuvor nach der Bekanntgabe sehr guter Geschäftszahlen von einer positiven Dynamik profitiert.

Flops

Polypeptide (-22 %): Der Schweizer Konzern hat seine Prognose für die EBITDA-Marge 2022 nach unten korrigiert, da technische und fertigungsbezogene Probleme die Produktionsplanung beeinträchtigen. Nun wird nur noch mit einer Marge von etwa 15 % (zuvor 22-25 %) gerechnet.

John Wood (-19 %): Einer Warnung des Managements zufolge dürfte der Cashflow erst 2024 wieder ins Plus drehen, insbesondere aufgrund von Wechselkursverlusten. Für die mittelfristige Entwicklung zeigt man sich zuversichtlich, doch registrierte der Markt vor allem die schlechten Nachrichten.

Crédit Suisse (-19 %): Für die Schweizer Bank nimmt das Desaster nach der Rekapitalisierung und den zurückgehenden Mittelzuflüssen weiter seinen Lauf. Der Kurssturz wurde zum Wochenschluss von einem leichten Aufschwung abgemildert, der auf die Stellungnahme des neuen CEO folgte, die Abflüsse bei den verwalteten Vermögen stoppen zu wollen. Es wird wohl noch einige Zeit vergehen, bis das Vertrauen wiederhergestellt ist.

Adevinta (-16 %): Das norwegische Unternehmen, Muttergesellschaft des französischen Online-Marktplatzes Le Bon Coin, musste nach der Platzierung von 2 % seines Kapitals durch seinen Aktionär Schibsted Kurseinbußen hinnehmen.

Brenntag (-10 %): Der Markt zeigte sich nicht gerade erfreut darüber, dass der Konzern die Übernahme seines amerikanischen Mitbewerbers Univar Solutions in Erwägung zieht. Bislang ist noch völlig unklar, ob die Transaktion erfolgreich abgeschlossen werden kann.

Dollar General (-8 %): Der Einzelhändler hat seine Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2022 aufgrund der explodierenden Kosten gesenkt. Der Gewinn dürfte wohl nur um 7-8 % zulegen, während das Unternehmen zuvor eine Steigerung von 12-14 % anvisiert hatte.

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Ölpreise waren bei Redaktionsschluss auf dem besten Weg, die Woche im Plus zu beenden - nicht zuletzt aufgrund der vor dem virtuellen Treffen der OPEC+ an diesem Wochenende hochkochenden Spekulationen. Dabei steht viel auf dem Spiel, denn die erweiterte Organisation erdölexportierender Länder könnte angesichts der niedrigen Ölpreise und der nur langsam Fahrt aufnehmenden Konjunkturerholung in China beschließen, die Fördermengen noch weiter zu drosseln. Gleichzeitig kam die von Fed-Chef Jerome Powell angeschlagene neue Tonart, die den Weg für ein langsameres Tempo bei den Zinsschritten der US-Notenbank ebnet, Risikoanlagen zugute - darunter auch dem Rohöl: Die europäische Sorte Brent notiert aktuell bei 87,7 USD, die US-amerikanische Referenzsorte WTI bei 82 USD. Beim Erdgas schnellen die Preise wieder in die Höhe: Am Handelsplatz TTF in Rotterdam notiert der Energierohstoff nun bei 135 EUR/MWh. In Europa halten winterliche Temperaturen Einzug, was die Gasnachfrage ankurbelt.

Metalle: Die Marktteilnehmer verfolgen weiter aufmerksam die Lockerung der Coronabeschränkungen in China, durch die sich die Nachfrage nach Industriemetallen belebt. Die am Mittwoch veröffentlichten schwachen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe belasteten die Stimmung an den Märkten nicht allzu sehr. So stiegen die Metallpreise an der LME auf 8.300 USD für Kupfer und 2.430 USD für Aluminium. Der Goldpreis legte weiter zu und erreichte kurzzeitig die Marke von 1.800 USD je Unze.

Agrarprodukte: In Chicago gaben die Getreidepreise nach, da sich die durchwachsenen US-Exportstatistiken ungünstig auswirkten. Weizen notiert unter der Marke von 750 Cent, Mais bei 655 Cent je Scheffel.

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Lost in Statistics. Die Märkte reagieren nach wie vor heftig auf Meldungen, die den geldpolitischen Kurs der US-Notenbank Fed in die eine oder andere Richtung lenken könnten. Die Rede von Jerome Powell Mitte der Woche gefiel all jenen, die überzeugt sind, dass die Zinsen dank einer Eindämmung der Inflation und einer weichen Landung der Wirtschaft bis Mitte nächsten Jahres ihren Höhepunkt erreichen werden. Die Anleiherenditen sind gesunken, Risikoanlagen gestiegen und der US-Dollar wurde abgestraft. Am Freitag sorgte die Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten für November dann für Ernüchterung: Der Arbeitsmarkt ist weiterhin überhitzt und die Löhne steigen unaufhaltsam. Die Anleger befürchten daher, dass die Fed ihren harten Straffungskurs länger als erwartet halten muss. Echte Fortschritte gibt es aktuell nicht. In China scheint die Regierung ihre für die Menschen und die Wirtschaft belastende strenge Null-Covid-Strategie aufgeben zu wollen. Für die Weltwirtschaft wäre dies ein wichtiger Impuls, noch ist allerdings nichts sicher.

Devisen: Der US-Dollar musste in den letzten Tagen einiges einstecken, zuletzt den Paukenschlag von Jerome Powell mit seiner oben erwähnten Rede. Der Dollar-Index, der den Greenback mit sechs Währungen (Euro, Pfund Sterling, Yen, kanadischer Dollar, schwedische Krone) vergleicht, verließ zur Wochenmitte seinen hohen Sockel und sank auf rund 105 Punkte. Damit kehrte er auf sein Niveau vom Juni 2022 zurück, nachdem er Ende September bei über 114 Punkten eine Höchstmarke verzeichnet hatte. Der Euro profitierte davon und legte wieder auf 1,05 USD zu. Am Freitag reagierte der US-Dollar allerdings folgerichtig mit einer Aufwärtsbewegung auf die Bekanntgabe der Arbeitsmarktzahlen. Diese durchkreuzten die ansonsten günstigen Daten für eine Mäßigung des geldpolitischen Straffungskurses. Der Euro gewann im Wochenverlauf gegenüber dem Schweizer Franken an Boden und notiert aktuell bei 0,9849 CHF.

Anleihen: Auch im Anleihenuniversum war die Woche zweigeteilt, in eine Zeit vor den Arbeitsmarktdaten vom Freitag und eine Zeit danach. Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries sank nach der Powell-Rede am Mittwoch auf 3,50 % gegenüber 4,20 % vor einem Monat. Am Freitag stieg sie erneut auf 3,57 %. Die nach wie vor inverse Zinskurve signalisiert, dass die Anleger immer noch mit einer Rezession rechnen. Das von der CME Group entwickelte FedWatch Tool taxiert die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte am 14. Dezember auf 75 %, gegenüber 25 % für einen Zinsschritt von 75 Basispunkten. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen und französischer Staatsanleihen veränderte sich mit 1,82 % bzw. 2,28 % gegenüber der Vorwoche kaum.

Kryptowährungen: Der Bitcoin rückte im Wochenverlauf +3,15 % vor und kratzte bei Redaktionsschluss erneut an der Marke von 17.000 USD. Diese äußerst zaghafte Erholung reicht bei Weitem noch nicht, um die schwarze Woche von Anfang November auszubügeln, als die Pleite der Kryptobörse FTX 22 % des Bitcoin-Werts vernichtete. Ether zog diese Woche mit +7 % deutlich an der führenden Kryptowährung vorbei und pendelte sich wieder bei rund 1.300 USD ein. Das Vertrauen gegenüber dem Kryptouniversum ist dennoch stark erschüttert, und vermutlich wird es lange dauern, um die Kryptoskeptiker wieder zu überzeugen.

Termine: Christine Lagarde wird sich nächste Woche am Montag und Donnerstag zu Wort melden. Zudem warten die Anleger mit Spannung auf den ISM-Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor in den USA, der am Montag veröffentlicht wird. Am Freitag stehen dann sowohl der Erzeugerpreisindex als auch der Vertrauensindex der Universität Michigan auf der Agenda.
Kurs und Volumen
Ein Schritt vor und einer zurück
Die Woche endete mit einer Enttäuschung, da die Zahl der neu geschaffenen Stellen und die Lohnsteigerungen überraschend hoch ausfielen, sodass der Inflation vermutlich noch nicht die Puste ausgeht. Diese Woche bewegte die Rede von Jerome Powell die Märkte. Die nächste Woche dürfte aber mit Blick auf die Zentralbanken ruhiger werden, da die Fed-Mitglieder vor der geldpolitischen Sitzung am 13. und 14. Dezember zum Schweigen verpflichtet sind. Zunächst richtet sich die Aufmerksamkeit der Anleger jedoch auf das Treffen der OPEC am Sonntag. Dieses könnte der Aufwärtsrally an den Finanzmärkten einen neuen Impuls geben oder sie bremsen.
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.