Bern (awp/sda) - Das Bieler Musiktalent Nemo hat mit dem Sieg des 68. Eurovision Song Contest (ESC) 2024 den Musikwettbewerb in die Schweiz geholt. Bei der Preisverleihung appellierte Nemo an den Frieden und die Menschenwürde.

Bevor das Resultat bekannt war, gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem kroatischen Favoriten Baby Lasagna. Nemo setze sich am Ende durch und holte mit dem Song "The Code" 591 Punkte für die Schweiz. Kroatien kam auf 547 Punkte. Alyona Alyona & Jerry Heil aus der Ukraine folgten mit Abstand und 453 Punkten auf Platz drei.

Bereits während der Punktevergabe flossen Nemos Tränen. Die Schwester des Musiktalentes unterstütze Nemo, während immer mehr Punkte zusammen kamen. Insgesamt 22 Mal gab es für Nemo 12 Punkte von den Länderjurys: "Ich weiss nicht, wie ich das verarbeiten soll", sagte Nemo noch vor dem Schweizer Sieg in Malmö.

Internationale Kooperationen

Auch die Publikumsabstimmung konnte dem Wettquotenfavoriten Baby Lasagna nicht helfen. Unter Tränen betrat Nemo die Bühne in der Malmö Arena, um den Preis in Empfang zu nehmen, und appellierte an den Frieden und die Menschenwürde.

An der Medienkonferenz nach der Veranstaltung sagte Nemo: "Ich habe viele neue Freunde gemacht - und das ist wunderschön". Es gäbe nun einige neue Orte, an die Nemo nun reisen wolle. Auch in kreativer Hinsicht sei es wundervoll am ESC gewesen. Nemo würde etwa gerne mit Bambie Thug aus Irland oder dem ukrainischen Duo Alyona Alyona & Jerry Heil Musik machen. Im Rahmen der Konferenz begrüsste Nemo die Diskussion, für was der ESC stehe und was der Musikwettbewerb bedeute.

Dritter ESC-Sieg für die Schweiz

Nemo holte den dritten ESC-Sieg für die Schweiz. Das Musiktalent trat damit in die Fussstapfen von Lys Assia, die den ersten ESC 1956 in Lugano gewann, und Céline Dion, die den Musikwettbewerb 1988 zugunsten der Schweiz entschied. Nemo ist 24 Jahre alt und identifiziert sich als nonbinär. Das heisst, das Nemo sich weder als Frau noch als Mann identifiziert. Der Song "The Code", mit dem Nemo den ESC gewann, handelt von der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität.

In Biel, der Heimatstadt Nemos, wurde ein Publicviewing veranstaltet. "Nemo hatte die beste Performance und ist aus Biel, was will man mehr", sagte Veranstalter Raphael Benz zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Drei Gemeinderätinnen aus Biel waren auch anwesend. "Ich freue mich in erster Linie für Nemo, dann für Biel und als drittens für die Schweiz" sagte Lena Frank, eine der Gemeinderätinnen.

Auch von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider erhielt Nemo Gratulationen. Der Sieg sei eine Anerkennung der vielfältigen Talente und der Persönlichkeit des Musiktalents, schrieb Baume-Schneider auf der Online-Plattform X.

Nächster Austragungsort noch offen

Die Austragung der 69. Ausgabe des Wettbewerbs wird voraussichtlich in der Schweiz stattfinden. Eine Schweizer Stadt könnte als Austragungsort in die Kränze kommen, weil normalerweise das jeweilige Gewinnerland den ESC im Folgejahr austrägt.

In Frage kämen Städte wie Zürich, Bern, Genf oder Basel. Diese Orte mit grossen Hallen und einer guten Infrastruktur, wie der SRF-Bereichsleiter-Show Yves Schifferle gegenüber Schweizer Radio und Fernsehen SRF Anfang April sagte. Die entsprechenden Kosten würden für die SRG, aber auch für die austragende Stadt anfallen; beisteuern müssen auch die teilnehmenden Länder. Wie hoch die Ausgaben sein würden, sagte Schifferle nicht, ergänzte aber, dass Gespräche mit anderen Ländern geführt worden seien.

Turbulenter Musikwettbewerb

Der diesjährige ESC war wohl der bislang turbulenteste. Am Samstag wurde der Niederländer Joost Klein wegen eines Vorfalls vom Musikwettbewerb ausgeschlossen. Hintergrund war nach Angaben des niederländischen TV-Senders Avrotros eine aggressive Geste des Künstlers gegenüber einer Kamerafrau. Diese habe Klein nach einem Auftritt gegen seinen Willen gefilmt. Die Polizei nahm aber Ermittlungen auf, weshalb ein Auftritt Kleins unangemessen sei, hiess es von den Veranstaltern, der European Broadcasting Union (EBU). Der niederländische öffentlich-rechtliche Rundfunk reichte gegen den Ausschluss formale Beschwerde ein.

Im Vorfeld gab es zudem wiederholt Proteste gegen die Teilnahme Israels. Am Samstagnachmittag wurde eine israelfeindliche Grossdemonstration in der Stadt veranstaltet, bei der unter anderen "Fridays for Future"-Ikone Greta Thunberg abgeführt wurde, kam es kurz vor dem Beginn des Finales auch vor der Veranstaltungshalle zu lautstarken Protesten. Einige hundert, pro-palästinensische Demonstranten empfingen die ESC-Zuschauer mit "Shame on you"-Rufen. In der Halle selbst sah sich die israelische Sängerin Eden Golan, die letztlich dank einer hohen Publikumswertung auf dem fünften Platz landete, während ihrer Auftritte stets von massiven Pfiffen und Buhrufen begleitet.