Börsen-Zeitung: Abrüsten, Kommentar zur Tarifrunde von Mark Schrörs
   Frankfurt (ots) - Die Tarifrunde in der Metall- und 
Elektroindustrie geht in die heiße Phase - und es droht ein Streit 
wie seit Jahren oder gar Jahrzehnten nicht. Nun müssen beide Seiten 
Maß und Mitte wahren: Die Arbeitgeber sollten sich überfälligen 
Diskussionen nicht verweigern, aber die IG Metall darf auch nicht 
überziehen. So sehr die Wirtschaft in Deutschland aktuell auch 
brummt, so wenig kann sie einen Streik in der Schlüsselbranche 
gebrauchen.

   Die 6-Prozent-Lohnforderung der IG Metall ist da sicher noch das 
kleinere Problem - denn sie ist erst einmal nur genau das: eine 
Forderung. Die Arbeitgeber bieten bislang 2 Prozent mehr Gehalt. 
Damit scheint ein Kompromiss in der Mitte möglich - und im Übrigen 
auch vertretbar: Zieht man die alte Formel "Produktivität plus 
Inflation" zu Rate, scheinen 3 Prozent oder gar ein Schnaps mehr 
ökonomisch gerechtfertigt. Viel kritischer, weil kontroverser ist die
Forderung nach einer befristeten Senkung der Arbeitszeit auf 28 
Wochenstunden - teils mit Lohnausgleich. Die IG Metall pocht auf mehr
Zeitsouveränität der Beschäftigten - und droht mit den neuen 
24-Stunden-Warnstreiks oder gar raschen Flächenstreiks. Die 
Arbeitgeberseite will im Gegenteil die Optionen für mehr Arbeit pro 
Woche ausweiten - und brandmarkt den IG-Metall-Vorstoß gar als 
illegal.

   Mit der Forderung nach Teillohnausgleich etwa für Beschäftigte, 
die Kinder erziehen oder Familienangehörige pflegen, schießt die 
Gewerkschaft wohl etwas übers Ziel hinaus. So verdienst- und wertvoll
diese Tätigkeiten sind, so wenig sollte deren Finanzierung primär bei
den Unternehmen abgeladen werden. Das ist zuallererst eine 
gesamtgesellschaftliche Verantwortung.

   Was die Arbeitszeitverkürzung an sich betrifft, müssen aber beide 
Seiten ideologisch abrüsten. Die Gewerkschaft muss anerkennen, dass 
viele Betriebe den Beschäftigten auch jetzt schon entgegenkommen - 
auch wenn es da viel Verbesserungspotenzial gibt. Sie darf zudem die 
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Beschäftigungschancen 
aller Arbeitnehmer nicht aus dem Blick verlieren. Die Arbeitgeber 
dürfen indes nicht übersehen, dass es im EU-Vergleich bereits eine 
starke Flexibilität gibt - auch wenn sie sich mehr wünschen. Zudem 
müssen sie angesichts des Fachkräftemangels ein ureigenes Interesse 
haben, Familie und Beruf besser zu vereinen.

   Viele Arbeitszeitregeln stammen noch aus den 1980er Jahren. Die 
Zukunft der Arbeitswelt - Stichwort: Digitalisierung - macht es 
nötig, die Bedürfnisse von Unternehmen und Beschäftigten neu 
auszutarieren, wobei die Lösung von Betrieb zu Betrieb verschieden 
sein wird. Ein solcher Ausgleich ist im Interesse aller - das muss 
jetzt die Maxime sein.

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