Börsen-Zeitung: Die größte Kaimaninsel, Kommentar zum Brexit von
Andreas Hippin
   Frankfurt (ots) - Theresa May und ihr Schatzkanzler haben ihr 
Möglichstes getan, um eine glaubhafte Drohkulisse für den Fall 
aufzubauen, dass Brüssel dem britischen Wunsch nach einem 
Freihandelsabkommen nicht nachkommen sollte. Soll man auf dem 
Kontinent ruhig glauben, dass man die Steuern dann so lange senken 
wird, bis man zur größten Kaimaninsel der Welt geworden ist und 
Europas Unternehmer und Anleger über den Ärmelkanal schwimmen. 
Vielleicht tritt der ganze aufgestaute Groll gegen die 
eigenbrötlerischen Briten, die einen in der größten Krise der EU im 
Stich lassen wollen, dann etwas in den Hintergrund. Allerdings ist 
das Risiko groß, dass man in Brüssel den britischen Wunsch als 
Rosinenpickerei interpretiert, die man ja - koste es, was es wolle - 
verhindern wollte.

   Dabei hatte es die britische Premierministerin wohl einfach nur 
satt, als Theresa Maybe verspottet zu werden. Und so fasste sie vor 
den im Lancaster House versammelten Würdenträgern einfach einmal klar
zusammen, was sich aus dem ergibt, was sie schon bei anderer 
Gelegenheit gesagt hatte: Großbritannien wird nicht nur die 
Staatengemeinschaft verlassen, sondern auch Binnenmarkt und 
Zollunion. Wie auch sonst könnte die am schnellsten wachsende 
G7-Volkswirtschaft die Zuwanderung aus den süd- und osteuropäischen 
Armutsregionen eindämmen? Wie sonst könnten sich britische Richter 
aus der Rechtshoheit des Europäischen Gerichtshofs freischwimmen? Und
wie sonst könnte Großbritannien eigene Freihandelsabkommen 
abschließen?

   Auch dass der mit Brüssel ausgehandelte Deal, sollte es denn je zu
einer Übereinkunft kommen, dem Parlament vorgelegt werden soll, ist 
keine Überraschung. Schließlich dreht sich der ernstzunehmende Teil 
der Rechtsstreitigkeiten zwischen Regierung und Brexit-Gegnern darum,
ob schon für die Inanspruchnahme von Artikel 50 des Vertrags von 
Lissabon ein Votum der Volksvertretung erforderlich ist.

   Ach ja, Streit. Anders als von May dargestellt, ist die 
Bereitschaft, die Zukunft jenseits der EU-Außengrenze gemeinsam zu 
gestalten, denkbar gering. Von einer Versöhnung zwischen Brexiteers 
und Bremainians kann nicht die Rede sein. Die Gräben dürften eher 
noch tiefer werden. Auf den öffentlichen Dienst kann May nicht 
zählen, das haben die Rücktritte ranghoher Karrierebeamter wie 
Jonathan Hill und Ivan Rogers gezeigt. Sie kann nur hoffen, dass ihr 
Bluff nicht auffliegt und Brüssel die Zerstrittenheit des Landes 
nicht für sich ausschlachtet.

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