Von Jinjoo Lee

NEW YORK (Dow Jones)--Non-fungible Token - oder NFTs - sind ähnlich wie Sneaker Drops. Es gibt sie nur in begrenzter Stückzahl, sie sind abhängig von einer himmelhohen Nachfrage und lösen auf dem Wiederverkaufsmarkt Spekulationswut aus. Es sollte daher nicht überraschen, dass Nike, Adidas und Under Armour ihre Zehen in den Markt gesteckt haben. Doch gelingt ihnen der Durchbruch?

NFTs sind digitale Güter - Kunst, Videos, alles, was digital existieren kann. Sie sind handelbar, aber nicht "fungibel", das heißt sie sind einzigartig und können nicht gegen ein identisches Gut ausgetauscht werden. Ein US-Dollar oder ein Barrel Öl ist dagegen fungibel, ein Kunstwerk oder ein Haus aber nicht. Für Marken wie Nike oder Adidas könnten NFTs die Form eines digitalen Turnschuhs haben, der gesammelt werden kann, oder eines Schuhs, den der Besitzer tatsächlich in der virtuellen Welt tragen kann. Beispiele wären Schuhe in einem Videospiel oder im Metaverse. In einigen Fällen wird ein NFT sowohl mit dem digitalen Schuh als auch mit dem Recht auf eine zukünftige Lieferung eines realen Schuhs geliefert und dient als eine Art handelbares Ticket für das physische Produkt.


   Preise für NFTs schnellen in die Höhe 

Nike machte vergangenen Monat einen großen Schritt in diese Richtung, als es RTFKT - ausgesprochen "Artefakt" - übernahm. Das Start-up stellt NFTs von Turnschuhen und anderen Sammlerstücken her. Die ersten NFT-Drops waren bereits erfolgreich. Sowohl die ersten NFTs von Under Armour als auch von Adidas im vergangenen Monat waren schnell ausverkauft, wobei die Herzogenauracher innerhalb weniger Stunden NFTs im Wert von 23 Millionen Dollar verkauften. Diejenigen, die die "Into the Metaverse"-NFTs von Adidas besitzen, die bei der Einführung etwa 765 Dollar kosteten, verkaufen sie jetzt für mehr als 2.500 Dollar auf dem NFT-Marktplatz OpenSea. Under Armours virtuelle Sneaker-Kollektion Genesis-Curry-Flow-NFTs kosteten bei ihrem ersten Verkauf im Dezember 333 Dollar und werden jetzt für Preise zwischen 551 und über 15.000 Dollar angeboten. Aufsehenerregende Renditen sind denn auch auf dem Sneakermarkt natürlich nichts Neues. Air Jordans, die 1985 noch 65 Dollar kosteten, erzielten vergangenes Jahr auf der Wiederverkaufsplattform Stockx einen Preis von 20.000 Dollar.

NFT-Skeptiker gibt es zuhauf, aber wenn es um einen begehrten, teuren Gegenstand geht, ist ein digitaler Gegenstand, der in der Blockchain gespeichert ist, viel einfacher zu authentifizieren, zu übertragen und zu verkaufen als ein Schuh oder ein Gemälde. Vielleicht noch wichtiger ist, dass die Marken nicht jedes Mal einen Anteil erhalten, wenn ein Sneaker weiterverkauft wird, aber mit NFTs können sie dies tun, da sich die Lizenzgebühren in die Blockchain integrieren lassen. RTFKT, der virtuelle Sneaker-Entwickler, den Nike übernommen hat, nimmt einen Anteil von 5 Prozent an jedem Verkauf und Wiederverkauf eines Avatars sowie 10 Prozent für alle anderen Produkte, einschließlich virtueller Schuhe.


   Markt bietet Milliardenvolumina 

Allein dank dieser Lizenzgebührenstruktur sind NFTs für Unternehmen wie Nike, das Token als Mittel zum Vorverkauf physischer Produkte nutzen könnte, wahrscheinlich eine Untersuchung wert. Dies ist bereits bei den ersten NFTs von Adidas der Fall, die dem Inhaber virtuelle Wearables und das Recht bieten, diese gegen exklusive physische Produkte einzulösen: einen sogenannten Hoodie, einen Trainingsanzug und eine Mütze. Die Kanalisierung der Verkäufe über NFTs würde es den Unternehmen auch ermöglichen, einen direkten Anteil am schnell wachsenden Wiederverkaufsmarkt für Turnschuhe zu erhalten. Nach Schätzungen war der Markt 2020 weltweit mindestens 6 Milliarden Dollar wert, was in etwa dem Umsatz von Nike in China im Jahr 2019 entspricht. Cowen erwartet, dass der Wiederverkaufsmarkt bis 2030 ein Volumen von 30 Milliarden Dollar erreichen könnte. Und natürlich wächst auch der NFT-Markt selbst rasant. Im Jahr 2020 wechselten NFTs im Wert von etwas mehr als 100 Millionen Dollar den Besitzer. Im vergangenen Jahr stieg dieser Wert laut Chainalysis auf 44,2 Milliarden Dollar.

Es scheint eine natürliche demografische Überschneidung zwischen den typischerweise jungen Turnschuhfans und den an NFTs Interessierten zu geben. In einer im April von Civicscience vorgenommenen Umfrage gaben 14 Prozent der 18- bis 24-Jährigen an, dass sie bereits in NFTs investiert haben, und 18 Prozent, dass sie daran interessiert sind. Diese Überschneidung gilt jedoch in beide Richtungen. Die Budgets in der realen Welt sind begrenzt, und die virtuelle Welt könnte lediglich die Nachfrage nach Turnschuhen kannibalisieren.


   Hype kann sich schnell in sein Gegenteil verkehren 

Virtuelle Turnschuhe werden die Bekleidungsmarken nicht mit Lagerbeständen oder Lieferkettenproblemen belasten. Allerdings bergen sie andere Risiken. Einige NFTs werden über energieintensive Blockchains verkauft, die für jede Transaktion stark variierende "Gasgebühren" berechnen. NFT-Käufer könnten in Zukunft auch mit überraschenden Steuerschulden konfrontiert werden. Und die digital versierte Masse ist auch ein scharfer Kritiker. So sehr ein großartiges Produkt einen Hype auszulösen vermag, so schnell kann ein schäbig aussehendes Produkt "gecancelt" werden. Erinn Murphy, Analystin bei Piper Sandler, weist darauf hin, dass Marken darüber nachdenken müssen, wie schnell sie die Verknappung im digitalen Bereich skalieren können. Nach Schätzungen von Piper Sandler sind etwa 5 Prozent der Produkte von Nike "Hype"-Produkte oder limitierte Veröffentlichungen.

Nike beherrscht die Welt der physischen Turnschuhe, aber das ist keine Garantie für eine digitale Dominanz, wo Unternehmen wie Yuga Labs, der Schöpfer der meistverkauften Bored-Ape-Yacht-Club-NFT-Kollektion, das Sagen haben. Es reicht nicht aus, eine exakte Nachbildung des physischen Sneakers, Hoodies oder der Handtasche in der virtuellen Welt zu verkaufen, sagt CEO Akash Nigam von Genies, einem Unternehmen für Avatar-Technologie, dessen Plattform es Nutzern ermöglicht, ihre Avatare mit digitalen Wearables auszustatten. "Man muss Grenzen überwinden - die Schwerkraft und die Physik der realen Welt", gibt er zu bedenken. Für Marken bedeutet das wahrscheinlich eine Menge Umsatzbeteiligungen und Partnerschaften in der Zwischenzeit. Die virtuelle Welt verspricht echtes Geld. Sie bringt aber auch ihre eigenen Regeln mit sich.

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January 14, 2022 10:51 ET (15:51 GMT)