(Neu: Aktuelles Rekordtief zum Handelsschluss)

FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Als hätte die Commerzbank nicht schon genug Probleme, setzt ihr jetzt auch noch das Coronavirus kräftig zu. Vor allem das Zinstief drückt auf den Aktienkurs. Dieser ist nach einer kurzen Erholung Mitte Februar infolge der Jahreszahlen nun auf ein Rekordtief gefallen. Was bei der Commerzbank los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI DER COMMERZBANK:

Bei der seit der Finanzkrise teilverstaatlichten Bank regiert mal wieder der Rotstift. So hatte Konzernchef Martin Zielke seinem Haus erst im Herbst ein neues Spar- und Strategieprogramm verordnet - das vierte Mal in zehn Jahren. Doch der angekündigte Abbau weiterer 2300 Stellen von zuletzt noch etwas mehr als 40 000 und dem Schließen jeder fünften der etwa 1000 Filialen könnte nicht ausreichen.

Bei der Bilanzvorlage im Februar sagte die neue Finanzchefin Bettina Orlopp, dass "weitere Einsparpotenziale, die über die bereits kommunizierten hinausgehen", ausgelotet werden. Spätestens zur Vorlage der Zahlen zum zweiten Quartal Anfang August soll es Details geben.

Trotz der trüben Aussicht herrschte bei der Bilanzvorlage noch gute Laune im Hochhaus mit dem Commerzbank-Logo, in dem die Bank seit einiger Zeit nur noch Mieter ist. "Das Jahr 2019 ist besser gelaufen, als wir das im Herbst erwartet hatten", sagte Zielke - und auch das Jahr 2020 sei "gut angelaufen".

Er gab sich mit Blick auf das Renditeziel sogar etwas optimistischer. "Wenn wir weiter solche Fortschritte machen, halte ich perspektivisch für 2023 auch eine höhere Rendite für möglich, als wir es Mitte des vergangenen Jahres erwartet hatten." Genauer wurde er nicht. Im September hatte er vier Prozent Eigenkapitalrendite als realistisch bezeichnet - ein Ziel das sowohl Investoren als Aufseher als ohnehin zu unambitioniert einstuften.

An der Börse wurde dieser Optimismus mit Kursgewinnen honoriert - inzwischen ist davon aber nichts mehr zu spüren. Das Papier gehört zu den größten Verlierern des Corona-Crashes wegen der Furcht vor den drastischen Folgen durch die rasante Ausbreitung des neuartigen Coronavirus. Kopfzerbrechen bereiten der Commerzbank vor allem die immer weiter sinkenden Renditen, die auf die Zinserträge und damit die Haupteinnahmequelle der Bank drücken.

Zudem sorgen sich immer mehr Investoren wegen des dicken Kreditbuchs der Bank. Ein Einbruch der Konjunktur könnte zu steigenden Ausfällen führen. Zudem stockt der für die Finanzierung von Investitionen innerhalb des Umbaus geplante Verkauf der polnischen Tochter mBank. Vollkommen offen ist auch, ob es gelingt, die erfolgreiche Onlinebank Comdirect wie vorgesehen in den Konzern einzugliedern.

Zu allem Überfluss sickerten Ende Februar - ausgerechnet kurz nach dem 150. Geburtstag der Bank - auch noch erste Details aus dem Gutachten der von der Regierung beauftragten Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) durch. Die BCG-Experten sollen einem Bloomberg-Bericht zufolge noch deutlich drastischere Sparmaßnahmen empfehlen. Die Berater dürften dem Bericht zufolge die Ergebnisse ihrer Untersuchung bald der Regierung vorstellen. Welche Schlüsse Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zieht ist offen. Deutschland hält seit der Rettungsaktion Ende vergangenen Jahrzehnts immer noch etwas mehr als 15 Prozent und ist damit der größte Anteilseigner.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Commerzbank-Aktie gehörte in der durch den Coronavirus ausgelösten Panik an den Märkten zu den größten Verlierern. Die ohnehin schon Kummer gewohnten Aktionäre mussten wieder besonders leiden. Nachdem der Aktienkurs kurz nach der Bilanzvorlage und dem demonstrativ zur Schau gestellten Optimismus noch um 15 Prozent auf bis zu 6,832 Euro angezogen war, kennt das Papier seitdem nur eine Richtung: nach unten.

Am Montagabend ging die Aktie mit einem Rekordtief von 3,637 Euro aus dem Handel. Im Vergleich zu dem Zwischenhoch nach der Zahlenvorlage ging es damit um fast 50 Prozent nach unten. Die Bank zählte in den ersten Wochen, in denen die Märkte vom Coronavirus infiziert wurden, zu den größten Verlierern.

Mit einem Börsenwert von zuletzt nur noch rund 4,6 Milliarden Euro nimmt die Bank in dieser Wertung selbst im MDax nur noch einen Platz im unteren Mittelfeld ein. Auch wenn die Bankspitze beim Dax-Abstieg im Jahr 2018 beteuert hatte, dass dies kein Problem sei, dürfte dies am bereits ohnehin angekratzten Selbstbewusstsein nagen. Schließlich hieß es in dem bei der Bilanz-Pressekonferenz vorgestellten Imagefilm: "Wir sind nicht an der Börse, um im MDax zu sein."

Eine Rückkehr in den Dax ist angesichts des Kursverfalls aber in weiter Ferne - allerdings nicht so weit wie die einstigen Rekordhöhen. Das rechnerische - um viele Kapitalerhöhungen und Aktienzusammenlegungen bereinigte - Rekordhoch der Anteilsscheine datiert aus dem Jahr 2000 und liegt bei 288,64 Euro. Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise und dem Einstieg des Staates lag der Kurs umgerechnet bei mehr als 200 Euro. Seitdem summiert sich das Minus auf knapp 99 Prozent. So viel hat fast keine andere Aktie eines deutschen Standardwerts verloren.

Und egal, was Scholz nach Erhalt der BCG-Empfehlung macht, dürfte es schwer für ihn werden, das Geld für den Bund wieder reinzuholen. Mit dem jüngsten Kursrutsch ist der Wert des staatlichen Aktienpakets unter die Marke von einer Milliarde Euro gerutscht. Der Bund müsste aber rund fünf Milliarden erlösen, um bei der Bank ohne Verluste auszusteigen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Angesichts des jüngsten Kurseinbruchs hinken die Experten beim Blick auf die weitere Kursentwicklung hinterher. Derzeit liegt das durchschnittliche Kursziel bei etwas mehr als 6 Euro - allerdings stammt die aktuellste Studie vom 4. März, und da hatte das Papier noch knapp 5 Euro gekostet. Selbst die größten Pessimisten haben noch Kursziele rund um die Marke von fünf Euro auf dem Zettel und damit fast 30 Prozent über dem aktuellen Niveau.

Den Analysten ging es dabei wie der Bankspitze selbst: Sie wurden von der dramatischen Entwicklung an den Börsen überholt. Spannend ist, wie die Experten reagieren: ob sie eher ihre Kursziele senken oder ihre Einstufung ändern. Derzeit raten fünf der 17 von dpa-AFX erfassten Experten zum Verkauf der Aktie, nur einer zum Kauf, und der Rest empfiehlt eine neutrale Position.

Auf den demonstrativ zur Schau gestellten Optimismus von Zielke hatten die meisten Experten ohnehin eher verhalten reagiert. Einige Analysehäuser wie Deutsche Bank, DZ Bank, Independent Research, RBC oder Morgan Stanley erhöhten zwar ihre Kursziele leicht. Allerdings stuften sie die Aussagen des Vorstands zum Ausblick unter dem Strich nicht als besonders ermutigend ein.

So schrieb DZ-Bank-Experte Markus Mischker, dass der Ausblick uninspirierend sei und die Bank 2019 lediglich die niedrigen Erwartungen erfüllt hatte. Andreas Pläsier von Warburg Research hatte noch bis Mitte Februar zu den Optimisten gehört, seine Einstufung aber am 21. Februar von "Hold" auf "Sell" gesenkt und sein Kursziel um 17 Prozent auf 5,80 Euro gekappt. Die Ertragsentwicklung auf dem stark umkämpften Heimatmarkt bleibe schwer absehbar und die Bewertung der Papiere erscheine zu hoch, begründete er den Schritt.

An dem Tag der Warburg-Abstufung hatte die Commerzbank-Aktie noch fast 6,50 Euro gekostet und damit noch mehr als zehn Prozent über dem neuen Kursziel von Pläsier gelegen. Inzwischen notiert das Papier mehr als ein Drittel darunter - die Aktie müsste also mehr als 50 Prozent steigen, um das Kursziel zu erreichen./zb/stw/

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