FRANKFURT (awp international) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Hoffnungen auf ein baldiges Ende ihrer Nullzinspolitik gedämpft. Wie erwartet gibt es zunächst keine Änderungen bei den Leitzinsen und dem milliardenschweren Wertpapierkaufprogramm, wie die Notenbank am Donnerstag nach ihrer Zinsentscheidung in Frankfurt mitteilte. Andeutungen in Richtung einer künftigen Straffung gab es nicht. Besorgt zeigte sich EZB-Chef Mario Draghi über die jüngste Euro-Stärke. Ausbremsen konnte er sie dadurch aber nicht.

Die Währungshüter beliessen den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent. Geschäftsbanken, die Geld bei der Notenbank parken, müssen weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Bei der Pressekonferenz zu den Beschlüssen zeigte Draghi Unverständnis über jüngste Spekulationen an den Finanzmärkten über baldige geldpolitische Straffungen.

Einige EZB-Mitglieder seien überrascht von der Reaktion auf die Veröffentlichung des jüngsten Sitzungsprotokolls gewesen, so der EZB-Chef. Manch ein Experte hatte dieses zuvor als Signal interpretiert, dass die EZB ihre Anleihekäufe im September vollständig auslaufen lassen werde. Die Diskussion über das weitere Vorgehen stehe aber erst noch an, sagte Draghi.

An ihrer Wortwahl zur künftigen Geldpolitik änderte die EZB am Donnerstag nichts. Sie teilte abermals mit, sie werde ihr auf 2,3 Billionen Euro angewachsenes Wertpapierkaufprogramm noch bis mindestens September fortsetzen. Im Oktober hatten Europas Währungshüter ihre milliardenschweren Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen um neun Monate bis mindestens Ende September 2018 verlängert, dabei jedoch das monatliche Volumen von Januar an auf 30 Milliarden Euro halbiert.

Eine Verlängerung zu diesem Zeitpunkt sei weiterhin denkbar, falls die EZB keine nachhaltige Annäherung der Inflation an ihren Zielwert von knapp zwei Prozent feststellt, hiess es nun von der EZB. Selbst eine Ausweitung der monatlichen Käufe von derzeit 30 Milliarden Euro sei möglich. Experten der Landesbank Nord/LB gehen dennoch weiterhin davon aus, dass die Neukäufe noch in diesem Jahr beendet werden.

Leitzinsanhebungen stehen laut EZB erst nach der Beendigung der Wertpapierkäufe an. "Auf Basis der heutigen Daten und Analysen sehe ich sehr wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr steigen könnten", sagte Draghi.

In den meisten Ländern des Euroraums legten die Zinsen auf Staatspapiere dennoch deutlich zu. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen erreichte den höchsten Stand seit 2015. "Ohne etwas neues zu sagen, hat Draghi an den Finanzmärkten für Bewegung gesorgt. Allerdings vermutlich nicht in die gewünschte Richtung", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der Bank Ing-Diba.

Besorgt zeigte sich Draghi über die Stärke des Euro. "Die derzeitige Wechselkursvolatilität stellt eine Unsicherheitsquelle dar, die eine genaue Beobachtung erfordert", sagte der Notenbankchef. Den Euro konnte er dadurch aber nicht bremsen. Stattdessen kletterte der Kurs erstmals seit Ende 2014 über 1,25 US-Dollar. "Eine verbale Intervention sieht anders aus", sagte Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Es wirke, als wolle der Markt testen, bei welchem Euro-Kurs die Schmerzgrenze der EZB liege.

Viele Markteilnehmer hätten mit mehr als einer Wiederholung der vorangegangen Pressekonferenz gerechnet, meint Christoph Kutt, Experte bei der DZ Bank. Entsprechend zeige der Euro weiter Stärke. Bereits im September hatte sich Draghi ähnlich wie am Donnerstag zum Wechselkurs geäussert. Zudem hatten sich zuletzt andere Währungshüter besorgt über die Euro-Stärke gezeigt, darunter EZB-Vizechef Vitor Constancio.

Als selbstverständlich gilt die Reaktion am Devisenmarkt vielen Experten aber nicht. "Auch wenn der Euro während der Pressekonferenz aufwertete, muss ich aus fundamentaler Sicht sagen, dass Draghi recht deutlich auf den jüngsten Anstieg des Wechselkurses reagiert hat", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank. Draghis Aussagen seien auch deshalb bemerkenswert, weil der Euro vor allem gegenüber dem Dollar aufgewertet habe, aber gegenüber den Währungen anderer Handelspartner nur wenig.

Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump vor gut einem Jahr hat der Euro im Verhältnis zum US-Dollar fast ein Fünftel an Wert gewonnen. Neben der starken Euro-Wirtschaft war dafür zuletzt vor allem eine Dollar-Schwäche verantwortlich. Experten begründen diese unter anderem mit Furcht vor Handelskonflikten sowie Zweifeln an der Wirksamkeit der US-Steuerreform.

US-Finanzminister Steven Mnuchin hatte sich beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos gelassen zur Dollar-Schwäche geäussert und betont, sie sei gut für die US-Wirtschaft. Draghi vermied es auf Nachfrage, zu den Aussagen des US-Finanzministers Position zu beziehen. Er verwies im Allgemeinen darauf, dass der Wechselkurs zwar nicht zu den geldpolitischen Zielgrössen der Notenbank gehöre, dass er aber Auswirkungen auf die Inflation sowie die Konjunktur haben könne./tos/jkr/zb